Schon mal von Roseburia gehört? Wahrscheinlich nicht. Dabei gehören diese Bakterien zu den häufigsten Darmbewohnern und ein Mangel an ihnen geht mit verschiedenen Krankheiten einher, wobei die Befunde teilweise noch widersprüchlich sind und die Forschenden einräumen, dass noch weitere Studien nötig sind.
Wie so oft gehören diese nützlichen Darmbewohner zu den Firmicutes, dem Bakterienstamm, der von Laien eher mit ungünstigen Eigenschaften in Verbindung gebracht wird. Jedenfalls ist mir beim Googeln schon die Frage begegnet, wie man Firmicutes loswird. Und das wollen wir doch gar nicht.
Dann sind sie noch mit Clostridien verwandt. Auch die sind unbeliebt, vor allem C. difficile, das tatsächlich oft hässliche Infektionen Im Darm auslöst. Die Familie, zu der Roseburia gehört, heißt Lachnospiraceae. Fünf Arten sind bisher beschrieben, die wichtigste ist wohl Roseburia intestinalis. Sie kann bis zu 5 % der gesamten Bakterienpopulation ausmachen.
Das tut Roseburia uns Gutes
Roseburia ist, wie F. prausnitzii und Eubacterium, ein wichtiger Butyratbildner. Butyrat ist eine kurzkettige Fettsäure, die den Zellen des Dickdarms als Nährstoff dient und damit die Darmbarriere stärkt. Butyrat scheint sich aber noch auf verschiedenen Wegen positiv auf die Gesundheit auszuwirken. Zum Beispiel wirkt es entzündungshemmend und modulierend auf den Stoffwechsel
Flagellen (fadenförmige Proteinfortsätze) auf der Zelloberfläche helfen den Bakterien, sich an die Darmschleimhaut zu heften und in Kontakt mit dem Darmepithel zu treten. Das ist gut, wenn die Butyratbildner sich direkt an der Darmschleimhaut befinden, dann können die Wirtszellen das Butyrat wegen der kurzen Wege besonders gut aufnehmen.
Wann könnten sie nutzen?
- Darmerkrankungen
Bei Erkrankungen des Verdauungstraktes, wie Reizdarm oder entzündlichen Darmerkrankungen, findet man oft verdächtig wenig Roseburia im Darm. Roseburia beschleunigt wahrscheinlich die Darmpassage, während Darmerkrankungen oft mit Verstopfung einhergehen.
- Immunmodulation
Der größte Teil des Immunsystems sitzt im Darm – ist ja auch die größte Kontaktfläche zur Außenwelt (die sich in diesem Fall innen befindet 😉 ). Regulatorische T-Zellen sind dafür verantwortlich, dass das Immunsystem im Gleichgewicht arbeitet und weder über- noch unterreagiert. Butyrat fördert die Entwicklung dieser regulatorischen T-Zellen. Auch das Protein der Flagellen fördert das Immunsystem.
- Autoimmunerkrankungen
Da sie schließlich das Immunsystem beeinflussen, spielt Roseburia wohl auch eine bei der Entstehung von Autoimmunerkrankungen. Bei rheumatischer Arthritis hat man schon einen Mangel an Roseburien beobachtet.
- Stoffwechselstörungen
Zwischen Butyrat und der Regulation des Blutzuckerspiegels kristallisiert sich ein enger Zusammenhang. Die Verbindung scheint Einfluss auf die Insulinresistenz und Appetit zu nehmen. Das geschieht möglicherweise über die Aktivierung von Histon-Deacetylasen. Das sind die berühmten, schlank machenden Sirtuine. Butyrat steigert den Energieverbrauch und die Fettverbrennung.
Auch zwischen Typ 2 Diabetes und R. intestinalis scheint ein Zusammenhang zu bestehen. Jedenfalls fehlen die mal wieder bei betroffenen Personen.
- Erkrankungen des Nervensystems
Bei Depressionen ist die Anzahl der Roseburien oft reduziert. Und überträgt man das Mikrobiom an einer Depression erkrankten Person auf sterile Mäuse, eo entwickeln die ebenfalls Symptome einer Depression. R. intestinalis beeinflusst den Serotoninspiegel im Darm und kann dadurch die Symptome einer Depression lindern.
Auch bei Parkinson, eine Erkrankung des Nervensystems, bei der ein Mangel an Dopamin vorliegt, scheinen zu wenige Roseburia Bakterien im Darm anwesend zu sein.
Das Zusammenspiel des Mikrobioms mit dem Nervensystem, die Darm-Hirn-Achse, scheint aber komplexer zu sein als mit dem Darmepithel oder Immunsystem und ist noch lange nicht verstanden.
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Bakterielle Stoffwechselprodukte können die Darmbarriere überwinden (wohl mit Einverständnis des Wirts) und in den Blutkreislauf gelangen. Und auf irgendeinem Weg reduziert R. intestinalis hier das Risiko für Bluthochdruck oder koronare Herzerkrankungen.
Bei Atherosklerose gibt es weniger Roseburia im Darm und im Mausmodell besteht eine negative Korrelation zwischen der Anwesenheit von Roseburia und der Entstehung von atherosklerotischen Plaques.
So leben und vermehren Roseburen sich
Roseburien fermentieren β-Mannane und Xylane. Das sind häufige Bestandteile unserer Ernährung. Mannane und Xylane sind pflanzliche Polysaccharide, die vor allem in der Zellwand vorkommen. Sie sind für uns unverdaulich und gelten damit als Präbiotika – oder Ballaststoffe. Die Konjakwurzel ist ein guter Lieferant von β-Mannanen. Aus ihr werden Low Carb Nudeln hergestellt. Pektine mag Roseburia auch und vermehrt sich, wenn man ihr reichlich davon zur Verfügung stellt. Eine gute Versorgung mit Eisen kann die Butyratproduktion der Bakterien anfeuern.
Next Generation Probiotics?
Obwohl die Beweislage nicht immer eindeutig ist, sind Forschende sicher, dass es sich bei Roseburia um wohltätige Bakterien handelt, die such positiv auf die Gesundheit auswirken und sich als neuartige Probiotika eignen. Die Zellzahlen sind sehr variabel, und bei vielen Erkrankungen beobachtet man eine reduzierte Anzahl von Roseburia.
Mittlerweile gibt es viele Studien, die die Schutzfunktion von Roseburien, vor allem R. intestinalis belegen. Sie werden dabei auf verschiedenen Wegen aktiv. Nicht nur ihr Stoffwechselprodukt Butyrat, auch Flagellin, das Protein ihrer Flagellen und der Überstand ihrer Zellkultur, mit all seinen Inhaltsstoffen/Stoffwechselprodukten, haben eine nützliche Wirkung.
Die Forschenden bleiben am Ball…
Quelle:
Nie, Kai et al. “Roseburia intestinalis: A Beneficial Gut Organism From the Discoveries in Genus and Species.” Frontiers in cellular and infection microbiology vol. 11 757718. 22 Nov. 2021, doi:10.3389/fcimb.2021.757718
2 Gedanken zu “Roseburia – sollte man pflegen”