Dezember 5, 2024

Wenn der Citratzyklus stockt sehen wir alt aus

Der Citratcyclus darf nicht ins Stocken geraten

Es ist kaum zu fassen. Beim Stichwort „Anti-Aging“ scheint die überwiegende Mehrheit der sich Sorgenden an Falten der Haut und die Abwesenheit eines rosigen Teints zu denken. Dabei sollten wir lieber mal einen Blick in unsere Mitochondrien, genauer auf den Citratzyklus, werfen. Das lohnt sich. Wir stellen uns vielleicht eine schnurrende MAschine vor. Dabei scheint er ziemlich klapprig und anfällig für Störungen zu sein. Und das hat weitreichende Folgen.

Anti-Aging beschreibt den Versuch, die Lebensdauer zu verlängern und dabei den biologischen Alterungsprozess aufzuhalten, möglichst lange gesund und fit zu bleiben. Der Citratzyklus spielt dabei eine große Rolle.

Es gibt unzählige „Anti-Aging“ Therapien, von denen nicht alle von der Fachwelt tatsächlich als wirksam angesehen sind. Und auch zu den biologischen Mechanismen des Alterns gibt es verschiedene Hypothesen, die wohl alle zum Alterungsprozess beitragen. Dazu zählen Schäden an der DNA, Entzündungen, oxidativer Stress, eine übermäßige Abnahme von Stammzellen und Hypermethylierung der DNA. (DNA trägt an bestimmten Stellen Methylgruppen als Markierungsposten für die Aktivität der Gene. Daran darf man nicht all zu viel verändern, das passiert aber trotzdem gerne.)

Ein bedeutender Faktor beim Altern ist die mitochondriale Dysfunktion. Die Mitochondrien sind zentrale Stoffwechselorganelle unserer Zellen und wenn ihre Leistung nachlässt, sehen wir alt aus – buchstäblich und sprichwörtlich.

Wie können Mitochondrien den Alterungsprozess antreiben?

In den Mitochondrien, den „Kraftwerken der Zelle“, wie sie immer wieder genannt werden, findet die Zellatmung statt. Das ist ein Vorgang, bei dem letztendlich Elektronen auf Sauerstoff übertragen werden. Das Endprodukt ist Wasser. Vor dem harmlosen Wasser entstehen aggressive Radikale. Das sind Atome mit einzelnen, ungepaarten Elektronen. (Elektronen sind sehr gesellig. Wenn sie einsam sind, entreißen sie einfach einem anderen Atom ein Elektron, um sich selbst glücklich, das andere zu einem Radikal zu machen.)

Diese Radikale, ROS werden sie genannt, Reaktive Sauerstoff-Spezies, sind sehr aggressiv und können in einer Zelle viel Schaden anrichten, indem sie sich verhalten, wie das Radikal, das sie erzeugt hat. Eine Kettenreaktion. Radikale können DNA, Fette oder Proteine angreifen. Zum Beispiel Enzyme.

DNA Schäden und Schäden an verschiedenen Proteinen sind lange als Aging Faktoren im Visier. Meist fiel der Blick aber auf Strukturproteine in der Zelle. Aber in den Mitochondrien, direkt neben der Quelle der ROS, finden viele enzymatische Reaktionen statt. Der Citratzyklus nämlich, der mit der Elektronentransportkette der Zellatmung buchstäblich untrennbar verknüpft ist. Beide teilen sich nämlich ein Enzym ihrer Reaktionsfolge, die Succinatdehydrogenase.

Der Citratzyklus läuft nicht immer rund

Der Citratzyklus ist eine Folge enzymatischer Reaktionen, bei denen dem, was vom Essen übrig blieb – es heißt mittlerweile Acetyl-CoA – entzogen wird, was letztendlich zur Energiegewinnung herangezogen wird. Bei machen Reaktionen entsteht direkt ATP (oder GTP), Zellgold also. Bei anderen entsteht NADH, ein „reduziertes“ Substrat, das Elektronen aufgenommen hat, die es später im der Elektronentransportkette wieder abgeben kann. Dabei wird ganz nebenbei ein Protonengradient über die Mitochondrienmembran aufgebaut. Er enthält Energie, die zum Schluss als ATP gespeichert wird.

Wenn der Citratzyklus korrekt läuft, wird Acetyl-CoA von Oxalacetat aufgenommen, Es entsteht Citrat (Zitronensäure), von dem dann in mehreren Schritten auch schrittweise CO2 abgespalten wird. Außerdem entstehen NADH und ATP. Das setzt aber voraus, dass die ganze Geschichte nicht überlastet ist und alle beteiligten Enzyme gut funktionieren. Ist das nicht der Fall, kann von einem Cyclus keine Rede mehr sein. Dann braucht es Ersatzreaktionen, die ausgefallene Enzyme überbrücken und manche Abschnitte des Cyclus laufen rückwärts, weil sich bestimmte Zwischenprodukte anhäufen. Ein ziemliches Chaos.

Wie kommt der Citratzyklus ins Stocken?

Wenn aus der Elektronentransportkette Radikale entschlüpfen, können die natürlich auch die Enzyme des Citratzyklus schädigen. Eines davon ist die Aconitase, die ziemlich am Anfang des Kreislaufs aktiv ist. Sie wird durch ROS komplett inaktiviert. Jetzt können die folgenden Energie liefernden Schritte nicht mehr ablaufen.

Auch die Succinatdehydrogenase (SDH) ist sehr empfindlich gegenüber oxidativem Stress. Sie ist das Enzym, das auch am Elektronentransport beteiligt ist, und so kann der auch ins Stocken geraten, was dazu führt, dass noch mehr ROS gebildet werden.

Und nicht zuletzt führen üppige Mahlzeiten dazu, dass der Citratzyklus überlastet wird. Zu viel Input staut sich am Eingang.

Die effektivsten Mittel, die Gesundheit zu erhalten und das Leben zu verlängern sind demnach Kalorienrestriktion, Fasten, ketogene Ernährung und körperliche Aktivität. All diese Maßnahmen dienen dazu, den Citrtatzyklus nicht zu überlasten und am Laufen zu halten.

Und warum ist ein verwirrter Citratzyklus so gefährlich?

Bei verschiedenen Ausweichreaktionen oder weil der Citratzyklus einfach überlastet ist, entsteht immer wieder Aspartat. Das ist eine ganz normale Aminosäure. Aber sie erfüllt auch wichtige Signalfunktionen und stellt die Weichen in Richtung Altern. Nicht nur das. Sie beschleunigt den Alterungsprozess der Zellen sogar.

Aspartat aktiviert mTOR. Das ist ein zentraler Regulator, der verschiedenen Signale miteinander verrechnet und den Stoffwechsel entsprechend anpasst. Es steuert Wachstum und Überleben, Vermehrung und Motilität von Zellen, je nachdem, ob das nun gerade sinnvoll ist, oder nicht. Er reagiert auf den Energiestatus, Glucose, Aminosäuren, Hormone und Wachstumsfaktoren. mTOR ist ein Aktivator des anabolen Stoffwechsels, der in guten Zeiten aktiv ist. Und er hemmt die Autophagie, die körpereigene Frischzellenkur, den Entrümpelungsprozess der Zellen, der defekte Moleküle und Organelle entsorgt.

Wenn mTOR überaktiv ist, wirkt sich das negativ auf den Organismus aus. Er wird zugemüllt und altert. Aspartat ist natürlich nicht die einzige einzige Aminosäure, die mTOR aktiviert, aber sie wird im übersprudelnden Stoffwechsel reichlich produziert.

Bei kohlenhydratreicher Ernährung wird viel Glucose durch die Glycolyse abgebaut. Stauen sich deren Endprodukte vor den Citratzyklus, wird ein Teil davon zu Lactat vergoren. Auch das aktiviert mTOR.

Dann ist da noch Succinat. Auch Succinat kann sich anreichern, wenn es im Citratzyklus knirscht. Und auch Succinat setzt ungünstige Signale. Einerseits hemmt es den Elektronentransport in der Atmung, so dass noch mehr ROS entstehen. Es wird auch an Lysinreste verschiedener Proteine angeheftet und stört deren Funktion. Über einen eigene Rezeptor fördert es die Ausschüttung des entzündungsfördernden Cytokins IL-1β. Und es hemmt die Demethylasen der DNA. Und das ist gar nicht gut.

DNA Methylierung legt Gene lahm

Das anheften von Methylresten an die regulatorischen Bereich von Genen, die Promotoren, reguliert die Aktivität der Gene. Methylierung wirkt hemmend auf die Aktivität. Wenn die DNA Schaden nimmt, werden während der Reparaturarbeiten zusätzliche Methylgruppen angeheftet, die später aber nicht mehr entfernt werden. So können als Folge von oxidativem Stress, der gerne DNA Schäden hinterlässt, im Lauf der Jahre sehr viele Methylgruppen angeheftet werden, die die betroffenen Gene dann komplett lahmlegen.

Auch Acetyl-CoA signalisiert zu viel Wohlstand

Im ersten Schritt des Citratzyklus werden Oxalacetat und Acetyl-CoA vereint. Wenn es sich durch zu großen Hunger oder zu viele Kohlenhydrate hier staut, wird Pyruvat, ein Zwischenprodukt des Glucoseabbaus, zu Acetat umgewandelt. Dieses Acetat kann in der Fettsäuresynthese landen. Aber es kann auch zur Acetylierung von Proteinen herangezogen werden. Eines davon ist mTOR, das dadurch aktiviert wird. Auch Histone, das sind die Proteine, um die die DNA gewickelt ist, um sie platzsparend im Zellkern unterzubringen, werden acetyliert. Durch Acetylierung wird die Aktivität der umgebenden Gene verändert. Hier wird in beiden Fällen die Autophagie gehemmt.

Wenn Acetyl-CoA aus der Glycolyse, dem Abbau von Glucose stammt, war an seiner Produktion auch ein Enzym namens Pyruvatkinase beteiligt. Es katalysiert den letzten, irreversiblen und geschwindigkeitsbestimmenden Schritt der Glycolyse. Muss viel Glucose abgebaut werden, benötigt man auch viel von diesem Enzym. Und Studien zeigen, dass die Überexpression dieses Enzyms, also dessen übermäßige Produktion, bereits genügt, das Leben zu verkürzen. (Von wegen: „Mit Zucker lacht das Leben“ – wie es früher in der Werbung hieß.)

Entgegengesetzte Signale: PEPCK

Wenn keine Glucose da ist, muss man eben welche machen, für die wenigen Zellen oder Gewebe, die sie tatsächlich benötigen. Das geschieht auf einem Weg, der praktisch die Umkehr der Glycolyse ist und Gluconeogenese heißt. Eine entscheidende Reaktion ist die Umwandlung von Oxalacetat in Phosphoenolpyruvat. Diese Reaktion wird von einem Enzym, der PEPCK, katalysiert.

Die PEPCK (Phosphoenolpyruvatcarboxykinase – kein Wunder, dass man das abkürzt 😉 ) Wenn die Aktivität dieses Enzyms hochgefahren wird, reagieren die Betroffenen (Mäuse, in diesem Fall) mit Überaktivität und gesteigertem Energieverbrauch. Das beschert ihnen eine um zwei Jahre verlängerte Lebensdauer. Das ist viel für Mäuse.

Indirekt entzieht das Enzym dem Stoffwechsel Aspartat und verringert dadurch dessen negativen Einfluss. Mit zunehmendem Alter, nimmt die Aktivität der für PEPCK codierenden Gene ab. Das liegt wahrscheinlich an einer Hypermethylierung der DNA.

Immer wieder taucht Aspartat als negativer Faktor für jugendliche Frische auf. Und oft stammt es aus einem überlasteten Wohlstandstoffwechsel, der den Citratcyclus ins Stocken kommen lässt.

Was tun, damit der Citratzyklus mit hoher Drehzahl läuft?

In vielen Spezies hat sich gezeigt, dass Kalorienrestriktion die beste Wahl ist, das Lebensende hinauszuzögern. Sie wirkt auf verschiedenen Wegen in den Verlauf des Citratcyclus ein.

Zum einen verlangt sie nach Gluconeogenese, was die Verfügbarkeit von Aspartat reduziert. Gluconeogenese ist außerdem ein Energie verbrauchender Prozess. Diese Energie wird über eine gesteigerte Aktivität des Citratzyklus bereitgestellt. Hier stockt jetzt nichts mehr.

Außerdem verschiebt sich die Energiegewinnung in Richtung Fettverbrennung. Man glaubt, dass die lebensverlängernde Wirkung von Kalorienrestriktion zum Teil auf diesem Effekt beruht. Während der Kalorienrestriktion werden auch vermehrt Aminosäuren verbrannt. Das wiederum verlangt nach Autophagie, wenn die Aminosäuren aus Zelltrümmern recycelt werden.

Bei der Verbrennung von Aminosäuren fällt aber auch NH3 an. Das wird über den Harnstoffcyclus entgiftet und diese Reaktionsfolge verbraucht Aspartat.

Kalorienrestriktion fördert auch die Synthese von Glutathion. Dieses körpereigen Antioxidans besteht aus drei Aminosäuren, eine davon ist Glutamat. Und Glutamat wiederum steht mit Oxalacetat und Aspartat in Verbindung. Das hat zur Folge, dass, wenn Glutamat für die Synthese von Glutathion verbraucht wird, auch Aspartat verschwindet.

Insgesamt wird durch die Kalorienrestriktion mTOR gehemmt und Autophagie gefördert.

Muss es unbedingt Kalorienrestriktion sein?

Auch andere Enährungsformen können den Citratzyklus antreiben. Ketogene Ernährung, bei der weitgehend auf Kohlenhydrate verzichtet wird, steigert neben der Fettverbrennung und Produktion von Ketonkörpern auch die Gluconeogenese.

Am wirkungsvollsten und wichtigsten scheint aber die Kalorienrestriktion zu sein. Bei Rhesusaffen, die unter einer Kalorienrestriktion von 30 % mit der berüchtigten „Western diet“ plus Vitamin- und Mineralstoffsupplementen gefüttert wurden, sank das Risiko für altersbedingte Krankheiten trotz der ungesunden Ernährung um etwa zwei Drittel. Und das, obwohl sie sich so ungesund ernährten.

Aber natürlich erreicht man mit einer pflanzenbasierten Ernährung auch gute Ergebnisse. Eine solche Ernährung nennt sich mediterran und ist reich an Vitaminen, Mineralstoffen und Polyphenolen.

Und die Polyphenole scheinen eine wichtige Rolle bei gesundheitsfördernder und lebensverlängernder Ernährung zu spielen. Sie steigern die Synthese von Glutathion und erleichtern wahrscheinlich Autophagie. Es kann sein, dass sie die Aktivität der PEPCK in der Zelle fördern und den Substratfluss durch den Citratcyclus steigern. Und DNA Schäden können sie auch verhindern.

Die Wirkung der Polyphenole ist noch nicht abschließend geklärt. Deswegen die schwammigen Formulierungen. Aber eine große Portion davon auf dem Teller, nach Aussagen des Autors dieses Übersichtsartikels gern ein Form vom Zwiebeln und Spinat, ist auf keine Fall ein Fehler.

Und wer keinen Spinat mag: Sport lässt den Citratzyklus ebenfalls schnurren.

Quelle:

Borkum, Jonathan M. “The Tricarboxylic Acid Cycle as a Central Regulator of the Rate of Aging: Implications for Metabolic Interventions.” Advanced biology vol. 7,7 (2023): e2300095. doi:10.1002/adbi.202300095

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