Dezember 3, 2024

Enterococcus, der vielgesichtige Kosmopolit

enterococcus hat viele gesichter

Enterococcus ist ein Milchsäurebakterium und die gehören eigentlich zu den Guten. Und tatsächlich können sich Enterokokken auch nützlich machen. Sie können aber auch sehr gefährlich sein. Ein vollrunder Charakter mit Ecken und Kanten sozusagen.

Enterococcus ist eine artenreiche Gattung aus der Familie der Milchsäurebakterien, die in verschiedensten Umfeldern vorkommt. Unter anderem auch in unserem Darm. Sie können harmlose Kommensale sein, aber auch pathogen, wenn sie Virulenzfaktoren besitzen und Antibiotikaresistenzen. Dann stellen sie vor allen im Krankenhausbetrieb ein Problem dar. Manche dienen sogar als Probiotika. In der Lebensmitteltechnologie spielen sie eine wichtige Rolle als Starterkulturen für die Fermentation von Käse und Fleischprodukten. Sie können aber auch Lebensmittelvergiftungen hervorrufen.

Enterococcus als Darmbakterium

In unserem Darm stellt Enterococcus mit bis zu 1 % der ansässigen Bakterien eine ordentliche Fraktion. Vor allem E. faecalis und E. faecium machen es sich in unseren Eingeweiden gemütlich. Außerdem findet man häufig E. cecorum und E. durans, gelegentlich auch E. caseliflavus, E. hirae, E. gallinaroum und E. avium. Bei gestillten Säuglingen gehört E. faecalis zusammen mit Bifidobakterien, Lactobacillus und Escherichia coli zu den ganz frühen Siedlern im Darm.

Enterococcus als Probiotikum

Probiotika sind Bakterien, von deren Aktivität im Darm wir gesundheitlich profitieren können. Enterococcus faecalis hat das durchaus drauf, aber es scheinen sich nicht alle Stämme zu eignen. Bakterienstämme innerhalb einer Art unterschieden sich auf genetischer Ebene nur wenig. Aber das Bisschen reicht aus, um aus einem pathogenen einen probiotischen Stamm zu erzeugen.

Enterococcus faecalis wird, oft zusammen mit anderen probiotischen Bakterien, wie Escherichia coli und Laktobazillen in probiotischen Präparaten zur Behandlung von verschiedenen Erkrankungen, wie Atemwegsinfekten, Hautverletzungen, Harnwegsentzündungen oder Reizdarm verwendet. Alles, was mit Oberflächen zu tun hat, wie es scheint. Manche probiotische E. faecalis Stämme entwickeln auch immunmodulierende, antimutagene und cholesterinsenkende Eigenschaften.

Dem entscheidenden Stamm von E. faecalis fehlen verschiedene Virulenzfaktoren, aber er besitzt verschieden Gene, die helfen, den Darmtrakt zu besiedeln, weil sie die Anheftung und Verklumpung von Zellen untereinander und an die Darmoberfläche erleichtern.

Enterokokken produzieren Bacteriocine. Das sind kleine Proteine mit antimikrobiellen Eigenschaften. Das klingt komisch, aber Menschen schießen ja auch mit Waffen auf Menschen.

Kommensale Enterokokken modulieren das Immunsystem. E. faecalis aktiviert verschiedene T-Zellen (CD4 und CD8) sowie Antikörper produzierende B-Zellen.

Opportunistisch pathogene Enterokokken

In Krankenhäusern kommen verbreitet antibiotikaresistente Enterokokken vor. E. faecalis und E. faecium zählen zu den wichtigsten Erregern von Harnwegsinfekten. Enterococcus faecalis fördert mit bestimmten Sekreten die Pathogenität anderer Bakterien, wie Proteus mirabilis. Gemeinsam zerstören sie Gewebe und fördern Bakterämien.

Sowohl Enterococcus faecalis als auch E. faecium sind invasive Bakterien. Sie können auch eine intakte Darmschleimhaut überwinden und in das anliegende Gewebe vordringen. Über das Lymphgewebe gelangen sie in den Blutkreislauf und auch in Leber und Milz. Auch Stämme, die als probiotisch und daher harmlos gelten, schaffen das unter (für sie) günstigen Bedingungen. In der Tat ist man sich noch nicht sicher, wie weit es mit der Gutmütigkeit von Enterococcus tatsächlich her ist.

Es gibt Hinweise, dass E. faecalis bei Darmkrebs eine Rolle spielen könnte. Die wird allerdings zurzeit kontrovers diskutiert. Der Stuhl von Darmkrebspatienten enthält in der Regel überdurchschnittlich viel Enterococcus faecalis und diese Bakterien produzieren im Rahmen ihres Stoffwechsels reaktive Stickstoff- und Sauerstoffspezies frei, die Onkogene aktivieren und Tumor-Suppressorgene inaktivieren können.

Enterococcus im Essen

Wenn Enterococcus in Lebensmitteln auftaucht, ist das in der Regel eine Folge von mangelnder Hygiene. Geflügelfleisch ist gerne mal mit E. faecalis oder E. faecium belastet. Und diese Stämme sind dann oft wegen der Praxis in Geflügelmästereien auch noch antibiotikaresistent. Enterokokken sind sehr anpassungsfähig und es gelingt ihnen relativ leicht, sich im Verdauungstrakt des Menschen dauerhaft anzusiedeln. Doof, wenn sie dann Antibiotikaresistenzen auf andere Darmbakterien übertragen. Bakterien sind manchmal nämlich ziemlich kommunikativ.

Enterococcus wird zwar in der Lebensmittelindustrie zur Herstellung von fermentierten Produkten eingesetzt. Aber er kann Lebensmittel auch verderben. Er produziert aus Proteinen hitzestabile Abbauprodukte, die Allergien oder Lebensmittelvergiftungen hervorrufen können. Wieder einmal stellt die Anpassungsfähigkeit der Enterokokken ein Problem dar, denn die Zellen vertragen viel Hitze, Salz oder hohen pH.

Quelle:

Krawczyk, Beata et al. “The Many Faces of Enterococcus spp.-Commensal, Probiotic and Opportunistic Pathogen.” Microorganisms vol. 9,9 1900. 7 Sep. 2021, doi:10.3390/microorganisms9091900

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