Es wird ja Zeit, sich auch einmal mit den merkwürdigen Erscheinungen unter den Darmbakterien zu beschäftigen. Und Eggerthella lenta gehört da eindeutig dazu. Merkwürdig, aber hoch interessant, wie ich finde.
Eggerthella ist ein Darmbakterium, das gar nicht so selten vorkommt, nämlich bei rund 80 % der Menschen. Es gehört dem Stamm der Actinobacteria an, wie Bifidobacterium. Nur sind „Eggerthellen“ weniger beliebt. Genauer gehören sie zur Familie der Coriobacteriaceae und unter denen befinden sich viele Pathobionten.
Eggerthella findet sich häufig im Mikrobiom gesunder Individuen und muss nicht unbedingt krank machen. Aber bei hoher Populationsdichte steht sie im Zusammenhang mit verschiedenen Krankheiten. Depressionen zum Beispiel, erhöhtem Blutcholesterin, Typ – 2 Diabetes, Autoimmunkrankheiten. Häufig ist sie Auslöser einer Bacterämie, der Anwesenheit von Bakterien im Blut. Das ist noch keine Blutvergiftung, kann wohl aber eine nach sich ziehen.
Eggerthella hat spezielle Enzyme: Katechol-Dehydroxylasen
Die Dehydroxylierung von Katecholen ist gängige Praxis im Darm. Katechole sind Moleküle mit einem bestimmten Strukturmotiv. Das ist sehr stabil und deshalb schwer zu spalten. Aber Eggerthella kann das, hat sogar mehrere verwandte Enzyme mit verschiedener Substratspezifität.
Das führt dazu, dass Eggerthella verschiedene Verbindungen, wie Neurotransmitter, Medikamente oder sekundäre Pflanzenstoffe abbauen kann, bevor sie ihre Wirkung entfalten können. Im Fall der Pflanzenstoffe eventuell, damit sie ihre Wirkung entfalten können.
DadH ist eine sehr spezifische Dopamin-Dehydroxylase. Eggerthella ermöglicht sie eine alternative, anaerobe Atmung durchzuführen. Dopamin ist ein wichtiger Neurotransmitter und ein Dopaminmangel wird mit depressiven Erkrankungen in Verbindung gebracht. Interessanterweise findet man bei solchen Patienten auch vermehrt Eggerthellen im Darm.
Mit anderen, ähnlichen Enzymen verarbeitet diese Bakterien Kaffeesäure, einen der häufigsten sekundären Pflanzenstoffe, und Catechine, pflanzliche Bitterstoffe, die zu den Polyphenolen gehören.
Eggerthella inaktiviert Medikamente
Und auch verschiedene Medikamente kann Eggerthella damit angreifen und unwirksam machen. Dazu zählt auch L-Dopa, ein Zwischenprodukt der Dopaminsynthese und Medikament gegen Parkinson. Tyrosin wird auf dem Syntheseweg hydroxyliert zu L-Dopa, anschließend decarboxyliert zu Dopamin.
Das machen wir so. Unsere Darmbakterien, nämlich Eggerthella lenta und Enterococcus faecalis, haben ihren eigenen L-Dopa Stoffwechsel. Und sie arbeiten in Teamwork. Enterococcus decarboxyliert L-Dopa zu Dopamin. Er spaltet also ein CO2 ab und das wäre eigentlich gut so. Aber dann kommt Eggerthella mit ihrem DadH Enzym und dehydroxyliert das Dopamin zu m-Tyramin. Das ist dann nutzlos.
Für Digoxin, ein herzstärkendes Medikament, hält Eggerthella ein weiteres Enzym parat, die CGR (cardiac glycosiede reductase). Dieses Enzym inaktiviert den Wirkstoff. Auch schade.
Kein Zucker bitte!
Eggerthella lenta ist ein Bakterium, das keinen Zucker verwerten kann. Das Gros der Darmbakterien lebt ja davon, Zucker zu vergären, die sie aus Ballaststoffen aus der Nahrung freisetzen. Eggerthella macht da nicht mit. Stattdessen verwertet sie Dopamin, Gallensäuren, Lignane und Cardenolide. Das sind pflanzliche Steroide, zu denen auch die Herzglycoside wie Digoxin gehören.
Zwei Nährstoffe sind für Eggerthella besonders wichtig. Die semi-essenzielle Aminosäure Arginin und Acetat, das die häufigste kurzkettige Fettsäure in unserem Stoffwechsel ist. Acetat dient als Kohlenstoffquelle für den Aufbau von Biomasse. Die Energie, die dafür nötig ist, bezieht sie aus dem Stoffwechsel von Arginin. Und die oben genannten Verbindungen als Elektronenakzeptor für ihre anaerobe Atmung – so wie wir Sauerstoff für unsere aerobe Atmung verwenden.
Quellen:
Dong, X., Guthrie, B.G.H., Alexander, M. et al. Genetic manipulation of the human gut bacterium Eggerthella lenta reveals a widespread family of transcriptional regulators. Nat Commun 13, 7624 (2022). https://doi.org/10.1038/s41467-022-33576-3
Maini Rekdal, Vayu et al. “Discovery and inhibition of an interspecies gut bacterial pathway for Levodopa metabolism.” Science (New York, N.Y.) vol. 364,6445 (2019): eaau6323. doi:10.1126/science.aau6323
Noecker, Cecilia et al. “Systems biology elucidates the distinctive metabolic niche filled by the human gut microbe Eggerthella lenta.” PLoS biology vol. 21,5 e3002125. 19 May. 2023, doi:10.1371/journal.pbio.3002125
Ein Gedanke zu “Was soll man von Eggerthella halten?”