Schätzungen zufolge ist das Limit unseres Planeten für Umweltbelastungen mit Chemikalien erreicht. Zu den besonders besorgniserregenden Umweltchemikalien zählen PFAS, per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen. Sie werden auch Ewigkeitschemikalien genannt, weil sie sehr stabil sind. Deswegen reichern sie sich auch überall in der Umwelt. Sie könnten auch Überallchemikalien heißen.
Man setzt sie freudig ein, in Löschschäumen, wasserabweisender Kleidung, Kosmetika, antihaftbeschichtetem Geschirr und Küchenutensilien und leider auch Lebensmittelverpackungen.
Warum sind PFAS so bedenklich?
PFAS sind eine große Gruppe von Verbindungen, es gibt fast 5000 verschiedene. Im Prinzip ähneln sie einer Fettsäure – eine Kohlenstoffkette mit einer Säuregruppe. Aber statt mit Wasserstoffatomen sind die Bindungsstellen des Kohlenstoffs mit Fluor besetzt. Diese Bindungen sind sehr stark und lassen sich chemisch schwer spalten. Dann gibt es innerhalb der Moleküle noch wasser- und fettlösliche Bereiche, wodurch sie die Eigenschaften von Tensiden erhalten. Deswegen gehen sie wahrscheinliche gerne Wechselwirkungen mit Lipiddoppelschichten ein, zum Beispiel den Membranen aller lebenden Zellen.
Wegen ihrer chemischen Eigenschaften werden PFAS geschätzt, aber sie machen sie auch zu echten Problemfällen, denn trotz ihrer Reaktionsträgheit stellen sie doch eine Gefahr für die Gesundheit dar – wie sich herausgestellt hat, nachdem man sie schon großzügig in der Welt verteilt hat. Man findet PFAS mittlerweile eigentlich überall, wo man danach sucht.
Wenn PFAS überall sind, auch in der Nahrung, kommen natürlich auch unsere Darmbakterien mit ihnen in Kontakt. Forschende haben sich nun die Mühe gemacht, herauszufinden, was unser Darm-Mikrobiom von diesem Zeug hält – und ob es vielleicht eine Idee hat, was man damit anstellen könnte. Bakterien haben ja einiges drauf.
Darmbakterien fischen PFAS aus der Umgebung
Nun hat sich herausgestellt, dass Darmbakterien tatsächlich PFAS aus dem Verkehr ziehen, indem sie sie in die Zelle aufnehmen. Forschende testeten an 89 Arten, viele kommensale und ein paar probiotische, ob sie eine langkettige PFAS Variante aus dem Kulturmedium entfernen können. Und sie können – alle getesteten Arten waren dazu in der Lage, wobei sie sich aber nach Stammeszugehörigkeit in dieser Fertigkeit unterschieden. Gram-negative Bakterien, die eine doppelte Zellhülle besitzen, reichern stärker an als Gram-positive. (Die Bezeichnung „Gram“ bezieht auch auf die Struktur der Zellwand, die anhand der sogenannten Gramfärbung erkennbar ist.) Bacteroidetes, die Gram-negativ sind, reicherten am meisten von diesen Verbindungen an.
Langkettige PFAS werden stärker angereichert als kurzkettige. Das Ganze geht schnell. In drei Minuten ist alles vorbei, sowohl wachsende als auch ruhende Zellen nehmen die PFAS auf, und zwar bis zu richtig hohen Konzentrationen. Und trotzdem sind sie dabei im Wachstum nicht eingeschränkt.
Sowohl lebende als auch tote Zellen reichern PFAS an, was dafür spricht, dass das kein aktiver Prozess ist.
PFAS bilden Aggregate im Zellinneren
B. uniformis, um nur einen zu nennen, reichert PFAS, die im Kulturmedium in Konzentrationen im Milligrammbereich vorliegen, bis zu mehreren Gramm pro Liter im Zellinneren an. Das ist riesig viel. Und trotzdem stellen die Zellen ihr Wachstum nicht ein.
So eine Bakterienzelle ist ja kein Sack, das Cytoplasma (das Zellinnere) hat schon eine gewisse Struktur. Aber mit einer Ladung PFAS sieht das Cytoplasma kondensiert und zerrupft aus und die PFAS sind ungleichmäßig verteilt. Vielleicht gehen sie irgendwelche Wechselwirkungen mit Bestandteilen der Zelle, zum Beispiel Proteinen, ein. Das Verklumpen der PFAS ermöglicht wahrscheinlich den Zellen das Überleben, weil es alle Kontakte zu lebenswichtigen Prozessen minimiert.
Man darf nicht vergessen, dass die Bakterien die PFAS nicht freiwillig anreichern. Können sie lernen, damit umzugehen und das Problem irgendwie zu lösen? Veränderns sich die Bakterien von im Verlauf der Generationen?
Nach etwa 100 Generationen reichert reichern die Zellen immer noch fleißig PFAS an, sie wachsen aber ein bisschen besser. Und ihre DNA zeigt etliche Mutationen. Viele dieser Mutationen sitzen in den regulatorischen Bereichen der DNA, die die Aktivität von Genen steuern. Vor allem Proteine, die unter Stress gebildet werden und solche, die in der Membran sitzen (und eventuell helfen können, die PFAS wieder loszuwerden) sind von den Mutationen betroffen.
Insgesamt ändert die Flut an Mutationen den Zellstoffwechsel der Bakterien. Sie zeigen, dass sie gestresst sind. Aber auf die Zusammensetzung der Bakteriengesellschaft hat die Behandlung keinen Einfluss.
Experimente mit Mäusen zeigten, dass Bakterien tragende Tiere mehr PFAS mit dem Kot ausscheiden als sterile.
Können Darmbakterien die Welt retten?
In Darmbakterien reichern sich PFAS deutlich schneller an als in frei lebenden Arten. Möglicherweise bietet sich hier eine Möglichkeit, PFAS wieder aus der Umwelt zu entfernen, weil man Darmbakterien doch ziemlich gut kultivieren kann. Schlauer wäre es natürlich gewesen, den Krampf gar nicht erst freizusetzen.
Quelle:
Lindell AE, Grießhammer A, Michaelis L, Papagiannidis D, Ochner H, Kamrad S, Guan R, Blasche S, Ventimiglia LN, Ramachandran B, Ozgur H, Zelezniak A, Beristain-Covarrubias N, Yam-Puc JC, Roux I, Barron LP, Richardson AK, Martin MG, Benes V, Morone N, Thaventhiran JED, Bharat TAM, Savitski MM, Maier L, Patil KR. Human gut bacteria bioaccumulate per- and polyfluoroalkyl substances. Nat Microbiol. 2025 Jul;10(7):1630-1647. doi: 10.1038/s41564-025-02032-5. Epub 2025 Jul 1. PMID: 40595288; PMCID: PMC12222025.