Dezember 21, 2024

Ist Xylit gesund oder ungesund?

Xylit ist Birkenzucker

Xylit ist ein Zuckeraustauschstoff, der bis vor kurzem noch eine komplett weiße Weste hatte. Man sagt ihm allerlei Gutes für die Gesundheit nach. Das hat sich nun möglicherweise geändert.

Was ist Xylit?

Xylit, Birkenzucker oder Xylitol in Englisch, ist ein Zuckeraustauschstoff aus der Gruppe der Zuckeralkohole. Er hat dieselbe Süßkraft wie Saccharose (Haushaltszucker), und auch geschmacklich kann man es nicht von Haushaltszucker unterscheiden. Das ist ja nicht selbstverständlich für Zuckeraustauschstoffe. Xylit ist der süßeste aller Zuckeralkohole und bringt 70 % der Kalorien mit.

Xylit wird aus Xylose (Holzzucker) hergestellt. Der kommt in Holz, vor allen in Birkenholz vor. Daher der Name. Außerdem findet man es in Obst (Pflaumen, Erdbeeren) und Gemüse (Blumenkohl, Kürbis).

So wird Xylitol verstoffwechselt

Xylitol enthält aber weniger Kalorien als „normaler“ Zucker. Während Zucker mit knapp 4kcal/g zuschlägt, bringt es Xylit nur auf 2,4 kcal/g.

Außerdem wird es insulinunabhängig verstoffwechselt. In der Leber wird Xylit, der Zuckeralkohol, zunächst in den Zucker Xylulose-5-Phosphat umgewandelt und anschließend über den Pentosephosphatweg, einen alternativen Abbauweg für Glucose, abgebaut.

So heißt es zumindest. Ich hoffe, das hat man auch tatsächlich untersucht. Man hat der Leber schließlich auch nachgesagt, sie würde Fruchtzucker in Glucose umwandeln und dann ins Blut abgeben. Die Leber hatte allerdings davon keine Ahnung und hat die Fructose einfach in Fett umgewandelt und abgespeichert. Es hat einige Jahrzehnte gedauert, bis man eingesehen und zugegeben hat.

Xylit ist ein Präbiotikum

Xylit wird im Dünndarm etwa zur Hälfte aufgenommen. Der Rest gelangt in den Dickdarm. Weil Birkenzucker hygroskopisch ist, bindet er Wasser. Das kann den Stuhl aufweichen und, wenn es nicht erwünscht ist, zu Durchfall führen. Auch Blähungen kann es auslösen. Da sind mal wieder die Darmbakterien am Werk. Natürlich verändert Xylit die Darmflora.

Wenn größere Mengen Xylit in den Dickdarm gelangen, kann man zugucken, wie es verschwindet. Stattdessen erscheint Butyrat, eine kurzkettige Fettsäure. Das ist prima. Anaerostipes ist wohl an dieser Fermentation beteiligt.

Xylit beeinflusst die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms. In Ratten, die sechs Wochen lang täglich 20 % Xylit verspeisten, verschob sich das Gleichgewicht der Darmbakterien. Gram-negative Bakterien nahmen ab, gram-positive nahmen zu. Gram-negativ und gram-positive Bakterien unterscheiden sich im Aufbau der Zellwand. Gram-negativ sind zum Beispiel Bacteroidetes und Proteobakterien, aber auch Verrucomicrobia (zu denen Akkermansia gehört), gram-positiv Firmicutes oder Actininobacteria (zu denen Bifidobakterien zählen. Außerdem scheint Birkenzucker das Wachstum von Hefen zu hemmen.

In Anwesenheit von Xylit steigt auch die Umsetzung von Daidzein, einem Isoflavonoid aus Soja, zu Equol. Equol ist vermutlich der Grund, weswegen Soja so gesund ist, obwohl es erst durch die Darmbakterien gebildet wird. Es hat starke phytoöstrogene Aktivität.

Xylit hat durchaus Vorteile für die Gesundheit

Zähne

Dass Xylit für die Zähne gut ist, weiß man. Es wirkt vermutlich gleich dreifach. Zum einen ersetzt es den Karies fördernden Zucker. Es regt den Speichelfluss an, was die Bakterien wiederum ausdünnt. Und es hemmt ganz konkret das Wachstum von Streptococcus salivarius, dem Hauptverursacher von Karies.

Haut

Xylit ist auch gut für die Haut. Von außen wie von innen schützt es vor Feuchtigkeitsverlust. Vermutlich, weil es die Tight Junctions stabilisiert. Das sind die Zellbestandteile, die wie Stöpsel die Zellen dicht miteinander verbinden, sodass eine undurchlässige Schicht entsteht.

Knochen

Xylit stärkt die Knochen. Die Knochenmasse unterliegt ständigen Umwälzungen, mit deren Hilfe sie sich an die Erfordernisse anpassen. Zwischen Auf- und Abbau muss Gleichgewicht herrschen, damit die Knochen erhalten bleiben. Im Alter laufen wir Gefahr, das Gleichgewicht zugunsten des Abbaus zu verschieben. Reichlich Xylit in der Nahrung steigert den Stoffwechsel der Knochen und fördert den Aufbau von Knochenmasse. Das hängt vermutlich mit der gesteigerten Bildung von Equol zusammen. Das Phytoöstrogen kann helfen, die nachlassende Wirkung der natürlichen Östrogene, die die Knochen ja stärken, zu ersetzen.

Durch die Fermentation, die es im Darm anregt, sinkt der pH und die Löslichkeit der Mineralien steigt. Darunter auch die von Calcium, dem wichtigen Mineral der Knochensubstanz.

Xylit verbessert die Barrierefunktion von Haut und Schleimhäuten. Und es verstärkt die Immunantwort. Ratten, die reichlich Birkenzucker im Futter hatten, gaben stärkere Antworten auf Immunreize. Sie mobilisierten mehr Immunzellen, die aggressiver gegen ihre Ziele vorgingen.

Gewichtskontrolle

Xylit schützt auch vor Gewichtszunahme. Zum einen, weil es weniger Kalorien enthält als Haushaltszucker, zum anderen, weil es insulinunabhängig verstoffwechselt wird. Das schützt vor Heißhungerattacken. Außerdem fördert Insulin den Aufbau von Körperfett.

Birkenzucker steigert im Fettgewebe die Expression von Genen für Regulatoren und Enzyme der Fettverbrennung. Ratten verlieren mit 10 % Xylit in der Nahrung binnen 40 Tagen 5 % Körpergewicht. Mit 20 % Xylit sogar 15 % Körpergewicht.

Xylit regt nicht nur die Fettverbrennung an, es fördert auch das Sättigungsgefühl, indem es die Ausschüttung der Sättigungshormone Cholecystokinin (CCK) und glucagon-like peptide-1 (GLP-1) fördert. Das war mit einer Verzögerung der Magenentleerung verbunden. Ein einziges Glas Wasser mit 30 g Xylit verdoppelte Entleerungszeit des Magens. Ein kleiner süßer Cocktail aus 25 g Xylit in 50 ml Wasser reduzierte die aufgenommene Energiemenge einer Mahlzeit von 920 kcal auf 690 kcal.

Metabolische Gesundheit

Xylit im Trinkwasser reduzierte binnen 4 Wochen das Seruminsulin der rättischen Probanden, in hoher Konzentration verbesserte sich auch die Glucosetoleranz.

Andere Studien an Ratten zeigten, dass auch Gesamtcholesterin und LDL durch den Verzehr von Xylit ( 10 % im Trinkwasser ) deutlich, um 50 % bzw. 75 % sanken.

…und dann das

Das war der Stand der Dinge im Jahr 2019. Und dann kommt diese Studie von Juni 2024 und zeigt, dass Xylit die Aggregation von Thrombozyten fördert. Es lässt also das Blut verklumpen.

Zuerst fiel nur auf, dass Personen mit hohem Xylitspiegel im Blutplasma im Lauf der Jahre überraschend häufig Probleme mit den Gefäßen bis hin zu Herzinfarkt und Schlaganfall entwickelten. Eine gezielte Studie zeigte dann, dass Xylit tatsächlich dafür verantwortlich ist und das Krankheitsrisiko um 57 % in die Höhe treibt. Echt schade. Aus der Traum, doch kein süßes Wunder.

Was noch zu bemerken wäre, ist, dass die Studien, die zu positiven Ergebnissen kommen, mit sehr hohen Dosen durchgeführt wurden, weit jenseits dessen, was physiologische relevant wäre. Da müssen sich die Darmbakterien nach was anderem umsehen.

Quellen:

Salli K, Lehtinen MJ, Tiihonen K, Ouwehand AC. Xylitol’s Health Benefits beyond Dental Health: A Comprehensive Review. Nutrients. 2019 Aug 6;11(8):1813. doi: 10.3390/nu11081813. PMID: 31390800; PMCID: PMC6723878.

Witkowski, Marco et al. “Xylitol is prothrombotic and associated with cardiovascular risk.” European heart journal vol. 45,27 (2024): 2439-2452. doi:10.1093/eurheartj/ehae244

Foto: Pixabay / miija

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