Mitochondrien gelten als die Kraftwerke der Zelle. Das stimmt, aber neben der Energieerzeugung erfüllen sie viele weitere Aufgaben. Deshalb ist es ziemlich sinnvoll sich darum zu kümmern, dass sie reibungsfrei funktionieren können. Und hier kommen mitotrope Substanzen ins Spiel.
Was sind mitotrope Substanzen?
Mitotrope Substanzen sind biochemische Verbindungen oder Minerale, die die Funktion der Mitochondrien verbessern. Mitochondrien sind Zellorganelle, die wirklich hart arbeiten und außerdem noch einen gefährlichen Job haben. Sie benötigen ausreichend Cofaktoren und Mineralstoffe für die Enzyme der Zellatmung sowie Antioxidantien um sich den Nebenprodukten ihrer eigene Aktivität zu schützen.
Dementstprechend gehören mitotrope Substanzen zu genau diesen Gruppen: Mineralstoffe wie Magnesium, das bei hunderten von Stoffwechselreaktionen seine Finger im Spiel hat, Antioxidantien und Cofaktoren für die Enzyme der Atmungskette.
Welche Probleme haben Mitochondrien überhaupt?
In den Mitochondrien findet, unter anderem, die Zellatmung statt. Die Organelle oxidieren das zur Verfügung stehende Substrat, namens NadH + H+, und bilden mithilfe von Sauerstoff daraus Wasser. Die dabei frei werdende Energie wird zur Synthese von ATP genutzt.
Oxidative Schäden durch ROS
Die letzte Reaktion dieser sogenannten Atmungskette ist gefährlich, denn hier können hochreaktive Nebenprodukte, ROS, entstehen, die (nicht nur) in den Mitochondrien enormen Schaden anrichten können. ROS (reactive oxygen species) sind hochreaktive Sauerstoffverbindungen, die sehr gerne anderen Molekülen Elektronen entreißen und sie dadurch unbrauchbar machen. Diese anderen Moleküle können Proteine, Fette oder Nucleinsäuren, also zum Beispiel DNA sein.
Mitochondrien besitzen eigene DNA (mtDNA). Sie codieren zum Beispiel selbst für die Enzyme der Atmungskette. Die mitochondriale DNA liegt nicht geschützt hinter einer Membran, wie im Zellkern. Sie liegt offen direkt neben der Produktionsstätte der ROS. Kein Wunder, dass sie besonders gefährdet ist. Ihre Mutationsrate liegt zehnfach höher als die der DNA im Zellkern.
ROS entreißen der mtDNA also Elektronen. Dadurch entstehen Mutationen und die Proteine, die aus diesen defekten Genen gebildet werden, sind fehlerhaft. Sie funktionieren nicht so gut, wie intakte. Es entkommen mehr Elektronen und die Schäden durch ROS steigen noch mehr. Ein Teufelskreis.
Um solche Schäden möglichst gering zu halten, helfen die oft zitierten Antioxidantien. Sie opfern sich sozusagen, lassen sich oxidieren und gehen dabei kaputt oder werden regeneriert und dadurch wieder einsatzbereit.
Schäden durch ROS stören die Funktion der Mitochondrien. Man spricht von einer mitochondrialen Dysfunktion und die soll nicht unwesentlich am Alterungsprozess beteiligt sein. Außerdem vermutut man zurzeit bei rund 50 Krankheiten eine mitochondriale Dysfunktion. Alzheimer zum Beispiel oder Parkinson, oder auch Diabetes, Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Das Räderwerk durch mitotrope Substanzen am Laufen halten
Wo hart gearbeitet wird, wird auch ordentlich verschlissen. Und Mitochondrien arbeiten hart. Mitotrope Substanzen sind der Schmierstoff, der das Räderwerk am Laufen hält.
B Vitamine
Viele B Vitamine sind mitotrope Substanzen. Die Enzyme der Atmungskette benötigen für ihre Arbeit Cofaktoren, die wir nicht selbst herstellen können und deshalb als Vitamine mit der Nahrung aufnehmen müssen. Die Energie aus der Nahrung wird über Nad+ in die Atmung eingeschleust. Um dieses wichtige energieliefernde Coenzym zu bilden, benötigen wir die Vorstufe Niacinamid, Vitamin B3.
FAD (Flavin Adenin Dinukleotid) ist ein weiterer Cofaktor der Atmungskette. Es wird aus Vitamin B2, Riboflavin, hergestellt.
Außerdem sind Vitamin B1 (thiamin) und B6 (Pyroxin, Pyrixodal, Pyridoxamin) für die Funktion der Mitochondrien wichtig.
Leber, der Speicherort für Vitamin B3, enthält naturgemäß viel davon. Gute Quellen sind auch Sardinen und Erdnüsse. Vitamin B2 findet sich in Innerein und bestimmten Käsesorten. Vitamin B1 in Vollkorn, Hülsenfrüchten und Fleisch.
Coenzym Q10
Ubichinon oder Coenzym Q10 können wir zwar selbst herstellen, unsere körpereigene Synthese reicht aber nicht immer aus. Deshalb kann die Zufuhr dieses Coenzyms die Elektronentransportkette beschleunigen. Ubichinon hilft in der Atmungskette, den Protonengradienten über die Membran, also den vorläufigen Zwischenspeicher der Energie, zusätzlich zu erhöhen.
Außerdem wirkt es antioxidativ und hält die Membranen elastisch. Das ist gut für ihre Funktionstüchtigkeit.
Ubichinon können wir selbst herstellen. Unser Bedarf kann die Produktion aber manchmal übersteigen. Das Coenzym ist reichlich in tierischen Lebensmitteln, wie Fleisch, Fisch, Geflügel, Leber, Ei und Butter enthalten. (Genau die Lebensmittel, die neuerdings wieder als böse gelten, weil sie die Produktion von TMAO begünstigen sollen 🙁 ) Beim Erhitzen geht Ubichinon aber leicht kaputt.
Vitamin C
Die Wirkung der Ascorbinsäure als Antioxidans ist weit bekannt. Wahrscheinlich erfüllt Vitamin C aber noch weit mehr wichtige Funktionen, in der Kollagensynthese oder bei der Produktion von Hormonen und Neurotransmittern. Den Mitochondrien hilft es durch seine Aktivität als Radikalfänger.
Interessanterweise wirkt Vitamin C in geringen Konzentrationen als Pro-Oxidans. Es produziert also freie Radíkale. Schließlich ist es ja auch in der Immunabwehr aktiv, da werden die gebraucht. Diese pro-oxidative Aktivität stimuliert aber auch die Biogenese von Mitochondrien.
Die Mitochondrien besitzen einen eigenen Vitamin C Transporter, mit dessen Hilfe sie große Mengen des Vitamins anreichern.
Wir benötigen ca. 100mg Vitamin C pro Tag. Das erreichen wir mit den meisten gängigen Obst- und Gemüsesorten leicht. Manchmal müssen wir aber mehr als 100g davon essen 😉 .
Vitamin E
Tocopherole sind eigentlich eine Gruppe von acht verschiedenen Vitaminen. Sie sind fettlöslich und können sich in die Membran eingliedern. Sie sind wichtige Antioxidantien und können ungesättigte Fettsäuren, (die hoffentlich reichlich in der Membran vorkommen, denn sie halten sie geschmeidig und funktionsfähig) vor Oxidation schützen, indem sie sich einfach vordrängeln und zuerst oxidiert werden. Sie werden dabei selbst zu Radikalen, die von unserem körpereigenen Glutathion regeneriert werden.
Vitamin E ist vor allem in hoch ungesättigten, nativen pflanzlichen Ölen vor. Weizenkeim- und Sonnenblumenöl sind Spitzenreiter. Außerdem sind Mandeln und Walnüsse gute Quellen.
Magnesium
Unter den Mineralstoffen kommt Magnesium eine große Bedeutung für die Mitochondrien zu. Magnesium ist ein absoluter Allrounder, dass an mehreren hundert Enzymreaktionen als Cofaktor beteiligt ist. Freies Magnesium (Mg2+) hat Einfluss auf das Membranpotenzial und stabilisiert dadurch den Ruhezustand von Muskel- und Nervenzellen. Außerdem wirkt es als intrazellulärer Botenstoff.
In der Atmungskette aktiviert es verschiedene Enzyme. Zum Beispiel hängt die Aktivierung von Thiamin zu Thiamin-Diphosphat, das als Coenzym wirkt, von Magnesium ab. Wichtige mitochondriale Enzyme des Energiestoffwechsels hängen in ihrer Aktivität von Magnesium ab.
ATP, das energiereiche Produkt der Atmungskette, wird durch einen Komplex mit Magnesium stabilisiert.
Den täglichen Magnesiumbedarf von etwa 400mg zu decken ist mit unserer typischen „westlichen“ Ernährungsweise anscheinend gar nicht so leicht und es können Engpässe auftreten. Nüsse und Samen aller Art enthalten viel Magnesium. Auch manche Mineralwässer und hartes Leitungswasser können gute Quellen sein.
Resveratrol
Resveratrol ist ein pflanzliches Polyphenol mit antioxidativen Eigenschaften. Es kommt vor allem in Weintrauben und Rotwein, manchen Beeren und Erdnüssen vor. Typisch für Polyphenole wirkt es antioxidativ, entzündungshemmend, herzschützend, krebshemmend, Diabetes vorbeugend, neuroprotektiv, usw.
Es bewirkt das hauptsächlich indem es die Membranen für Protonenlecks abdichtet und ROS neutralisiert. Resveratrol greift in die Genaktivität ein und fördert die Bildung von antioxidativen Enzymen. Insgesamt steigert es die antioxidative Kapazität. Resveratrol wirkt ähnlich wie Kalorienrestriktion, die sich ja sehr positiv auf den Alterungsprozess auswirken soll.
Spermidin
Spermidin ist ein biogenes Polyamin, das in jeder Körperzelle vorkommt. Es ist an verschiedenen zellulären Prozessen beteiligt. Spermidin hat entzündungshemmende und antioxidative Aktivität. Es stimuliert die Autophagie und verschiedene Stoffwechselprozesse in den Mitochondrien, auch deren Vermehrung. Spermidin reguliert nämlich die Gene für Verschmelzung und Fusion der Mitochondrien, ein Mechanismus, der die Gesamtzahl der Organelle bestimmt. Auch Mitophagie, der Abbau des gesamten Organells, wird durch Spermidin beeinflusst. Das ist günstig, denn es reduziert die Menge an defekten, ineffizient arbeitenden Mitochondrien. Weizenkeime, Sojabohnen und Cheddarkäse sind besonders reich an Spermidin.
Mitochondriale Dysfunktion
Eine mitochondriale Dysfunktion äußert sich in diffusen Symptomen. Sie kann sich in Vergesslichkeit oder Konzentrationsschwierigkeiten äußern. Abgeschlagenheit und eine Verschlechterung der Sinnesleistungen können auch Hinweise sein.
Wenn die Mitochondrien nicht richtig funktionieren muss das aber nicht immer ein Mangel an mitotropen Substanzen sein. Auch eine genetische Veranlagung oder ungünstige Umweltfaktoren können die Arbeit der Mitochondrien behindern. Manche Medikamente wirken sich auf die Funktion der Mitochondrien aus. Da gehören Antibiotika dazu, aber das ist kein Wunder, wenn man bedenkt, dass Mitochondrien ursprünglich Bakterien waren.
Methylphenidat, das unter dem Produktnamen Ritalin gegen ADHS im Umlauf ist, blockiert ein Enzym der Atmungskette. Damit wird den Patienten anscheinend die Energie entzogen und sie werden ganz ruhig? Aber es steigert mit der Blockade auch die Produktion von mitochondrialem Superoxid, einem Oxidans.
Auch Entzündungen im Körper können die Funktiom der Mitochondrien beinträchtigen, da sie ja immer mit einer erhöhten Produktion von ROS einhergehen.
Quelle:
Schniertshauer D, Wespel S, Bergemann J. Natural Mitochondria Targeting Substances and Their Effect on Cellular Antioxidant System as a Potential Benefit in Mitochondrial Medicine for Prevention and Remediation of Mitochondrial Dysfunctions. Current Issues in Molecular Biology. 2023; 45(5):3911-3932. https://doi.org/10.3390/cimb45050250
Hinweis:
Keine medizinische Beratung hier.