Emulgatoren stecken in vielen Fertigprodukten, die wir sorglos für Lebensmittel halten und bedenkenlos verspeisen. Zur Zeit ihrer Zulassung wurden sie auf ihre Bekömmlichkeit überprüft und als unbedenklich eingestuft. Aber im letzten halben Jahrhundert nahmen mit dem Konsum der Lebensmittelzusatzstoffe auch Zivilisationskrankheiten, wie entzündliche Darmerkrankungen oder das metabolische Syndrom, drastisch zu. Die Testverfahren, die damals zur Anwendung kamen, bezogen sich nur auf die Toxizität der untersuchten Substanzen.
Das war vor dem Hype um die Darmbakterien. Und zurzeit mehren sich die Verdachtsmomente, dass Emulgatoren das Darm-Mikrobiom stören und die Vermehrung von entzündungsfördernden Bakterien, die die Mucosa schwächen, fördern. Das könnte die Ursache für die Blüte der Zivilisationskrankheiten sein, die wir gerade beobachten und bei denen entzündliche Prozesse einen nicht unbedeutende Rolle spielen.
Was sind Emulgatoren?
Emulgatoren sind Substanzen, die es ermöglichen, wasser- und fettlösliche Moleküle stabil zu einer Emulsion zu verbinden. Sie besitzen einen wasser- und fettlöslichen Teil, so können sie an den Grenzflächen zwischen den verschiedenen Phasen (Wasser und Fett) existieren.
Emulgatoren gehören zu einer mehr als 80 Mitglieder umfassenden Gruppe aus insgesamt mehr als 400 in der EU zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffen. Die werden definiert als „Substanzen, die normalerweise nicht, weder pur noch als typische Zutat, als Lebensmittel verzehrt werden.“ Da kriegt man richtig Appetit.
Den Emulgatoren auf der Spur
Emulgatoren hielt man für sicher, weil sie kaum resorbiert oder im Körper vollständig abgebaut werden. In letzter Zeit stehen Emulgatoren jedoch in Verdacht, doch nicht so harmlos zu sein. Wenn sie auch nicht giftig sind, können sie doch das Darm-Milieu beeinflussen und so trotzdem Schaden anrichten.
Verschiedene Studien zeigen, dass in Anwesenheit von Emulgatoren die Dicke der Darmschleimhaut deutlich abnimmt und Bakterien in die innere, normalerweise sterile Schicht der Mucosa vordringen können. Es liegt nahe, dass die Emulgatoren aufgrund ihrer biochemischen Eigenschaften selbst dafür verantwortlich sind. Aber wie so oft lassen sich die Folgen, die man im Darm nach dem regelmäßigen Verzehr von Emulgatoren beobachten kann, mit einer Stuhltransplantation von einem Individuum auf ein anderes übertragen. Und tatsächlich verändern Emulgatoren die Zusammensetzung der Bakterien im Darm. Gut möglich, dass die dann ganz andere Sachen machen.
Mittlerweile liegen viele Studien zum Einfluss verschiedener Emulgatoren auf das Darm-Mikrobiom vor. Sie zeigen zum Beispiel, dass Emulgatoren wie Carboxymethylcellulose (CMC), Lecithin, Polysorbat 80 (P80) und Saccharosefettsäureester (E473, nie davon gehört ) die Häufigkeit nützlicher Bakterien reduzieren und die Häufigkeit potenziell krankheitsfördernder Bakterien erhöhen.
Bei den Wirten störten die Emulgatoren meist den Glucosestoffwechsel, manche auch den Fettstoffwechsel. Wer regelmäßig Emulgatoren verspeist, legt auch an Gewicht zu. Vor allem treiben Emulgatoren entzündliche Prozesse im Darm voran. Und die sind an vielen Zivilisationskrankheiten beteiligt.
Polysorbat 80 und Carboxymethylcellulose schlagen echt zu
Vor allem Polysorbat 80 und Carboxymethylcellulose stehen oft auf dem Prüfstand. Mehrere Studien zeigen, dass sie den stärksten negativen Effekt auf das Geschehen im Darm ausüben.
Eine Studie untersuchte den Effekt von Carboxymethylcellulose und Polysorbat 80 auf den Mäusedarm. Die Tiere erhielten die Emulgatoren in Konzentrationen, die auch dem menschlichen Verzehr entsprechen. Es zeigte sich, dass bei den Mäusen, die Emulgatoren zu sich genommen hatten, die Darmschleimhaut deutlich dünner war und Bakterien bis zum Darmepithel vordringen konnten. Die Emulgatoren führten auch zu deutlichen Veränderungen im Darm-Mikrobiom. Die mit guter Gesundheit assoziierten Bakterien aus der Verwandtschaft von Bacteroides nahmen ab, solche, die in der Lage sind, die Darmschleimhaut abzubauen, nahmen zu. Darunter auch R. gnavus, das, obwohl es ein Ruminococcus ist, mit entzündlichen Darmerkrankungen, insbesondere Morbus Crohn, in Verbindung gebracht. Eigentlich zählen Ruminokokken ja zu den willkommenen Darmbakterien.
Durch die Emulgatoren stieg der Gehalt an LPS und Flagellin in den Fäzes deutlich an. LPS ist ein Bestandteil der Zellwand bestimmter Bakterien und gleichzeitig ein entzündungsförderndes Endotoxin. Flagellin gehört zum Proteinkomplex der Flagellen, mit deren Hilfe Bakterien beweglich sind. Das wäre noch nicht so schlimm, aber diese Marker erschienen auch im Blut. Die Emulgatoren schwächen auch die Darmbarriere.
Ständiger Kontakt mit Emulgatoren dünnt die Darmschleimhaut aus, erlaubt den Bakterien, sich an das Darmepithel anzuheften und schafft eine entzündungsfördernde Stimmung im Darm.
Stille Entzündungen sind eine Begleiterscheinung – oder die Ursache? -vieler Zivilisationskrankheiten.
Die Mäuse, die in dieser Studie CMC oder P 80 zu sich nehmen mussten, entwickelten einen gesunden Appetit und legten an Gewicht zu. Sie wurden fettleibig und litten an einem gestörten Glucosestoffwechsel, der Vorstufe von Diabetes.
Schlechte Nachrichten: Schon ganz wenig CMC oder P80 genügen, um diese Effekte auszulösen und auch wenn man Emulgatoren von seinem Teller verbannt, darf man sich noch mindestens sechs Wochen an deren Wirkung erfreuen.
Menschen sind keine Mäuse
Die meisten Studien wurden an Mäusen durchgeführt. Aber es gibt auch schon Humanstudien. Die gesunden Teilnehmer einer kleinen Studie verspeisten täglich 15 g Carboxymethylcellulose – oder eben nicht. Ansonsten folgten sie einer als gesund angesehenen, „ausgewogenen“ Variante der westlichen Ernährung mit 55% Kohlenhydraten, 30% Fett und 15% Protein.
Und tatsächlich passierte durch den Verzehr der CMC erstmal nichts. Der Spiegel an Antikörpern gegen Flagellin oder LPS im Blut, stieg auch während der gesamten Studie nicht an. Bei Mäusen hatte deren Konzentration dagegen deutlich zugenommen. Sie dienen als Marker für erhöhte Darmpermeabilität. Also soweit alles gut.
Aber die Zusammensetzung der Darmbakterien änderte sich deutlich. Mit dem Verzehr von CMC nahmen die gern gesehenen Faecalibacterium prausnitzii und Ruminokokken ab, was schade ist, dafür vermehrten sich Roseburia, eine Produzentin von kurzkettigen Fettsäuren und Lachnospiraceae, von denen einige als Probiotika gelten. Ist doch gar nicht so schlecht. Die Autoren fürchten allerdings, dass die Verschiebung des Gleichgewichts in der Bakteriengesellschaft die Funktion des Mikrobioms ändern könnte. Die Forschenden identifizierten jedenfalls rund 40 Metabolite, deren Produktion mit dem Verzehr von CMC sank. Darunter waren kurzkettige Fettsäuren und essenzielle Aminosäuren.
Bei Mäusen beobachtete man auch, dass Bakterien sich durch die Mucosa bis zum Darmepithel vorarbeiteten. In der Humanstudie traf das nur auf zwei Probanden zu, die beide männlich und älter als der Rest der Teilnehmer waren. Diese Probanden erfuhren auch deutlich stärkere Veränderungen des Mikrobioms und der Gehalt an LPS in Darm stieg deutlich an. Es kann also sein, dass manche Menschen doch Mäuse sind. 🙂
Fazit: Vorsicht beim Verzehr von Emulgatoren kann nicht schaden, zumal schon Studien vorliegen, die Mono- und Diglyceride von Speisefettsäuren, auch Verbindungen mit emulgatorischen Eigenschaften, mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht werden.
Quellen:
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