April 29, 2024

Bilophila wadsworthia steht auf Galle

Bilophila wadsworthia ist eigentlich eine unkomplizierte Darmbewohnerin, die zur normalen Darmflora vieler Menschen gehört. Dort kommt sie allerdings nur in geringen Zahlen vor und zu stark vermehren sollte sie sich nicht, denn das kann üble Folgen haben.

Wer ist Bilophila wadsworthia?

Bilophila wadsworthia gehört zu den Proteobakterien, die ja im Darm weniger beliebt sind. Genauer gehört sie eigentlich zu den Sulfat reduzierenden Bakterien. Das sind welche, die Sulfat, ein Salz der Schwefelsäure, zur Atmung nutzen können. Ja, im Gegensatz zu uns Tieren können viele Bakterien ganz ohne Sauerstoff atmen.

Allerdings kann Bilophila das tatsächlich gar nicht, anders als ihre nächsten Verwandten. Sie nutzt stattdessen organische Schwefelverbindungen, um daraus Schwefelwasserstoff ( H2S ) herzustellen. Das ist ein übelriechendes Gas, das an verfaulte Eier erinnert. In geringen Mengen dient es im Darm als Signalstoff, aber eigentlich ist es giftig. Deswegen sollte davon nicht zu viel entstehen. Eine übermäßige H2S Produktion schädigt das Darmepithel und wird mit Reizdarm und Darmkrebs in Verbindung gebracht.

Es gibt zwei Dinge, die das Wachstum von Bilophila wadsworthia anregen. Galle und Pyruvat. Pyruvat ist ein gängiges Stoffwechselprodukt, das überall reichlich vorkommt. Galle findet sich im Darm vor allem bei fettreicher Ernährung, denn die Aufgabe der Gallensäuren ist es, Fette für die Weiterverarbeitung vorzubereiten. Die primären Gallensäuren aus der Leber sind oft an die Aminosulfonsäure Taurin gebunden. Außerdem kommt Taurin in Fleisch und Milchprodukten vor. Und Bilophila liebt Taurin.

Solange sich ihre Bevölkerungszahlen im Rahmen halten, ist Bilophila wadsworthia eigentlich ganz nützlich. Sie verbrauch den Wasserstoff (H2), der bei der Fermentation anderer Bakterien entsteht. So ermöglicht sie ihnen das Weitermachen, denn je mehr Wasserstoff sich anreichert, desto „anstrengender“ wird es für die anderen Bakterien ihn zu produzieren. So, als müssten sie ihn auf einen immer höher wachsenden Berg werfen. Wird der zu hoch, können sie nicht weiter gären.

Aber was kann Bilophila anrichten?

Eigentlich genügt ein Blick auf die Gattung oder Art nicht, um zu entscheiden, ob bestimmte Darmbakterien nun Freunde oder Feinde sind. Manchmal ist das sogar vom Stamm abhängig. In diesem Fall bezeichnet „Stamm“ (engl.: strain) die niedrigste Organisationsstufe, Variationen innerhalb einer Art.

Forschende fanden nun, dass ein bestimmter Stamm von Bilophila wadsworthia nach der Übertragung in keimfreie Mäuse zu allerhand Komplikationen führte.

Die Mäuse verloren nach der Infektion Körpergewicht und Fettmasse. Das klingt ja erst mal nicht schlecht. Aber die Bakterien führten auch zu einer Hepatosplenomegalie. Das ist eine Vergrößerung bzw. Schwellung von Leber und Milz.

Oft wird Bilophila wadsworthia mit Darmkrebs oder andern Erkrankungen in Verbindung gebracht. Aber dieser Stamm verursachte keine Veränderungen im Darm. Und auch das Darm-Mikrobiom der Tiere veränderten sie nicht. Aber sie verursachten systemische Entzündungen. Und das stärker, als man erwartet hätte. Nicht schön, denn gerade diese stillen Entzündungen sind wesentlich an verschiedenen Stoffwechselkrankheiten beteiligt.

Und was passiert, wenn Bilophila wadsworthia sich ausbreitet?

Fettreiche Ernährung soll ja gar nicht gesund sein. Und Bilophila wadsworthia breitet sich genau dann aus, wenn fettreiche Kost den Stoffwechsel durcheinander bringt. Die Bakterien sollen sogar die durch diese Ernährung verursachten Stoffwechselstörungen verstärken. Zumindest in Mäusen hat man das beobachtet.

Fettreiche Nahrung führt zur Ausschüttung von Gallensäuren. Viele davon sind mit Taurin, der Leibspeise von B. wadsworthia verknüpft. Deshalb vermehren sich diese Bakterien gut unter diesen Umständen. Ihr Tisch ist reichlich gedeckt.

Forschende untersuchten das und fütterten Mäuse entweder mit fettreichem (HFD) oder Standardfutter. Sie fanden, dass bei fettreicher Diät 3,7 Mal mehr B. wadsworthia mit dem Stuhl ausgeschieden wird. 3,7 X wenig ist aber noch lange nicht viel.

Die HFD Mäuse legten ordentlich an Gewicht zu, mehr als 20 %. Das lag daran, dass sie mehr Kalorien zu sich nahmen. Und auch die Stoffwechselwerte der HFD Mäuse verschlechterten sich. Nüchternblutzucker und Insulinspiegel stiegen an, der Abbau des Blutzuckers war verändert, in der Leber fanden sich vermehrt Triglyceride, also Fette.

Es ist kein Geheimnis, dass fettreiche Ernährung eine Dysbiose im Darm fördert. Wer hat also diese Stoffwechseländerungen verursacht? Die fettreiche Ernährung und damit veränderte Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms? Oder war es tatsächlich Bilophila wadsworthia?

Um das herauszufinden, packten die Forschenden zusätzlich zur Hochfettdiät noch eine Portion B. wadsworthia mit auf den Teller der Mäuse. Und die doppelt belasteten Mäuse, HFDBw+ , hatten im Vergleich zu HFD Gruppe einen nochmal erhöhten Nüchternblutzucker. Und es bestand eine starke positive Korrelation zwischen dem Nüchternblutzucker und der Menge an B. wadsworthia im Darm.

Auch der Fettgehalt der Leber war bei dieser Gruppe deutlich höher. Bilophila wadsworthia scheint also die Schäden einer fettreichen Ernährung noch zu verstärken, vor allem, was die Leber und den Zuckerstoffwechsel angeht.

Wie machen die das?

B. wadsworthia verändert die Genaktivität von Wirt und Symbionten. Die Transkriptomik analysiert die Gesamtheit aller aktiven, exprimierten Gene eines Systems. Mit dieser Methode kann man Unterschiede in der Genaktivität bestimmen und daraus schließen, welche Stoffwechselwege aktiv sind.

Die fettreiche Ernährung allein veränderte die Aktivität von ca. 300 Genen. Waren zusätzlich noch große Mengen an B. wadsworthia vorhanden, stieg diese Zahl auf mehr als 1600. Besonders betroffen waren dabei Entzündungen, Immunantworten und der Fett- und Glucosestoffwechsel sowie seine Regulation.

Bei den mikrobiellen Genen waren vor allem die LPS Synthese und der Taurinstoffwechsel aktiviert. LPS ist ein Bestandteil der Bakterienzellwand und gleichzeitig Endotoxin für den Wirt. Taurin ist B. wadsworthias Leibspeise.

Mit seiner Vorliebe für Taurin greift Bilophila wadsworthia auch in den Kreislauf der Gallensäuren ein und die werden zunehmend als wichtige Signalmoleküle erkannt.

Bilophila wadsworthia hat einen Feind

Ein probiotischer Stamm von Lactobacillus rhamnosus ist in der Lage, die negativen Effekt von B. wadsworthia weitgehend auszugleichen. Wann immer die Forschenden in ihren Experimenten zusätzlich diesen Stamm einsetzen, konnten sie die Veränderungen weitgehend umkehren. Der Stamm hemmt die Vermehrung von B. wadsworthia.

Viel Fett und wenig Ballaststoffe, wie es bei uns allzu häufig auf dem Teller erschient, sind das Paradies für Bilophila wadsworthia. Gutes Futter und die Feinde hungern und sind zu schwach zum Kämpfen…

Quellen:

Feng, Zhou et al. “A human stool-derived Bilophila wadsworthia strain caused systemic inflammation in specific-pathogen-free mice.” Gut pathogens vol. 9 59. 26 Oct. 2017, doi:10.1186/s13099-017-0208-7

Natividad, Jane M et al. “Bilophila wadsworthia aggravates high fat diet induced metabolic dysfunctions in mice.” Nature communications vol. 9,1 2802. 18 Jul. 2018, doi:10.1038/s41467-018-05249-7

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