Dezember 5, 2024

Lactobacillus, das kleine Stäbchen aus der Milch

Lactobacillus – das Stäbchen aus der Milch. Sie gehören tatsächlich zu den Milchsäurebakterien. Diese Bezeichnung ist für den Laien aber sicher verwirrend. Die Bezeichnung Milchsäurebakterien bezieht sich auf ihr typisches Stoffwechselprodukt: Milchsäure. Und die hat eigentlich gar nichts mit Milch zu tun. Vielleicht wurde sie dort entdeckt. So wie Apfelsäure in Äpfeln und Zitronensäure in Zitronen. Trotzdem sind sie allgegenwärtig – wie Milchsäure eben auch.

Anfangs wurden Laktobazillen rein nach phänotypischen Gesichtspunkten eingeteilt und charakterisiert: Zellform, Temperatur- und Sauerstoffansprüche, Verwertung verschiedener Nährstoffe, Bildung von Stoffwechselprodukten, Reaktion auf Zellfärbung usw.

Laktobazillen wurden als Gram-positive, fakultativ anaerobe, nicht sporenbildende, stäbchenförmige Organismen beschrieben – aber das nur nebenbei.

Zuletzt gab es über 260 Arten, die bis auf die eben beschriebenen Eigenschaften keine Gemeinsamkeiten teilten. Höchste Zeit also, die Freundchen neu zu ordnen. Das geschah im Jahr 2020 und nun gibt es 25 Gattungen, von denen glücklicherweise die meisten so heißen, dass man sie wiedererkennen kann. Und manche wenige sind auch nicht umbenannt worden. L. delbrueckii, acidophilus, helveticus… die, die man aus Joghurt kennt.

Lactobacillus fermentum heißt jetzt Limosilactobacillus fermentum u.s.w.

Mit dieser umfassenden Neuordnung wird auch klar, dass man in der Vergangenheit bei Lactobacillus ganz genau hinsehen musste, um zu entscheiden, ob man den nun haben will oder nicht. Lactobacillus war nicht gleich Lactobacillus – und nun ist es offiziell.

Lactobacilli leben in nährstoffreicher Umgebung, Böden, Pflanzen, Tiere, auch Wirbellose. Sie sind wirklich überall zu finden. Sie leben davon, Zucker zu Milchsäure zu vergären. Ja nach Substrat und Art produzieren sie entweder nur Milchsäure oder auch geringe Mengen Ethanol und CO2. Sauerstoff schadet ihnen nicht (was nicht selbstverständlich ist), aber sie können ihn auch nicht nutzen.

„The organisms formerly known as Lactobacillus“ sind von großer Bedeutung für die Herstellung von Lebensmitteln. In Fermentiertem tragen sie zur Konservierung bei, verändern die Textur und den Geschmack. Nicht nur durch die Ansäuerung mit Milchsäure. Sie produzieren auch zahlreiche Nebenprodukte, die gut schmecken und obendrein noch gut für die Gesundheit sein können. Fermentiertes wird nicht umsonst in mehreren tausend Variationen und seit tausenden von Jahren konsumiert.

In den Zeiten von industrieller Nahrungsmittelproduktion ist das nicht mehr so einfach, und Bakterien, die zum Verzehr bestimmt sind, müssen strenge Sicherheitsanforderungen erfüllen. Wir leben ja nicht mehr in der Steinzeit, wo man einfach wilde Bakterien hat machen lassen. Für die Steinzeitmenschen dürfte der Vorgang der Fermentation und die damit verbundenen Veränderungen eh ein Wunder gewesen sein. Sie hatten ja keine Ahnung von der Existenz dieser Winzlinge.

Heute haben Lactobazilli einen enormen Marktwert. Sie erzeugen als Probiotika Umsätze in Höhe von mehreren zig Milliarden.

Lactobacillus im Darm

Es ist nicht einfach, herauszufinden, wie groß die Rolle ist, die Lactobacillen im Darm-Mikrobiom spielen. In den Anfangsjahren wurden die Laktobazillen wohl grob unterschätzt, weil sie aerotolerant sind und Sauerstoff vertragen, während alle echten Anaerobier aus dem Darm längst tot waren und demnach auch nicht mehr zur Bestimmung der „Keimzahl“ beitragen konnten.

Aber auch mit den modernen molekularbiologischen Methoden schwanken die Zahlen gewaltig und reichen von weniger als einem bis in den niederen zweistelligen Bereich. Insgesamt ist man sich heute aber einig, dass Lactobacillus eher eine untergeordnete Rolle im Darm spielt. Anhand von 16S RNA Sequenzierung wurde die Anzahl der Lactobacilli im Zwölffingerdarm auf 6%, im Dickdarm auf 0,3% bestimmt. Bei dieser Methode vermehrt man bestimmte Abschnitte der DNA und kann später bestimmen, von welchem Organismus sie stammt und auch, wie viele Kopien davon im Ansatz enthalten waren.

Manche Arten haben ihren festen Wohnsitz im Darm, während andere nur auf der Durchreise für kurze Zeit dort verweilen.

  • Lb. crispatus,
  • Lb. gasseri,
  • Lb. reuteri,
  • Lb. ruminis und
  • Lb. salivarius

gehören zu den Dauermietern, während

  • Lb. acidophilus,
  • Lb. brevis,
  • Lb. casei,
  • Lb. crispatus,
  • Lb. curvatus,
  • Lb. delbrueckii,
  • Lb. fermentum,
  • Lb. gasseri,
  • Lb. johnsonii,
  • Lb. paracasei,
  • Lb. plantarum,
  • Lb. reuteri,
  • Lb. rhamnosus,
  • Lb. ruminis,
  • Lb. sakei,
  • Lb. salivarius, und
  • Lb. vaginalis

nicht dauerhaft im Darm siedeln.

Es gibt Überschneidungen, aber so ist die Forschung: Die Ergebnisse hängen von vielen Faktoren ab.

Viele stellen sich die Frage: Welche Milchsäurebakterien sind die besten?

Das ist vergleichbar mit der Frage, welcher Handwerker der beste wäre. Das kommt ganz darauf an, was kaputt ist. Einmal ist es der Klempner, einmal der Glaser.

Wozu sind Milchsäurebakterien gut?

Generell werden Lactobacilli als gesundheitsfördernd angesehen, aber einige Arten können auch schädliche Auswirkungen haben. Von den vielen verschiedenen Lactobacillus Arten sind knapp 90 als sicher eingestuft, einige wenige haben alle Hürden genommen und werden in Form von Probiotika oder probiotischen Lebensmitteln vermarktet.

Wir schätzen Lactobacilli im Darm wegen ihrer Stoffwechselprodukte, von denen sich einige positiv auf unsere Gesundheit auswirken können.

Da wären zum Beispiel

  • Vitamine (vor allem solche aus dem B-Komplex),
  • β-Galactosidase, das Enzym, das Milchzucker spaltet und deswegen die Beschwerden einer Lactoseintoleranz lindern kann.
  • CLA, konjugierte Linolsäure, soll beim Abnehmen helfen
  • bioaktive Peptide, zum Beispiel blutdrucksenkende ACE Hemmer. Sie sind vor allem in fermentierten Milchprodukten und Gemüsen enthalten.
  • Exopolysaccharide, die möglicherweise immunmodulierend, entzündungshemmend, antidiabetisch und cholesterinsenkend wirken
  • neuroaktive Moleküle wie GABA (Gamma-Aminobuttersäure, wichtiger beruhigender Botenstoff im ZNS, kann aber die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden. Wirkt aber auch in der Bauchspeicheldrüse und hemmt dort die Freisetzung von blutzuckersteigerndem Glucagon )
  • Phytase. Das Enzym baut Phytinsäure ab und setzt die daran gebundenen Kationen (Kalium, Magnesium, Calcium, Mangan, Barium, Eisen(II) ) sowie Phosphor frei. Verbessert also die Mineralstoffversorgung.

Der Verzehr von milchsauer vergorenen Lebensmitteln wirkt sich auch nachweislich positiv auf das Körpergewicht, Diabetes, Herz-Kreislauf-Problematik, sogar den Gehirnstoffwechsel und d

Milchsäurebakterien wie Lactobacillus sind mehr oder weniger zufällig nach der Milch benannt
Milchsäurebakterien wie Lactobacillus sind mehr oder weniger zufällig nach der Milch benannt

ie Stimmung aus.

Quelle:

De Filippis, Francesca et al. “The food-gut axis: lactic acid bacteria and their link to food, the gut microbiome and human health.” FEMS microbiology reviews vol. 44,4 (2020): 454-489. doi:10.1093/femsre/fuaa015

5 Gedanken zu “Lactobacillus, das kleine Stäbchen aus der Milch

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