Oktober 13, 2024

Allerlei Nützliches aus Tryptophan

Was Tryptophan angeht, ist Tofu Spitzuenreiter

Wer unter Schlaflosigkeit oder Trübseligkeit leidet, hat vielleicht schon über die Hilfe nachgedacht, die Tryptophan da schaffen kann. Aber Tryptophan, oder besser seine Abbauprodukte, können noch viel mehr. Und wieder einmal haben die Darmbakterien ihre Finger im Spiel.

Was ist Tryptophan?

Tryptophan ist eine der acht essenziellen Aminosäuren, die wir nicht selbst produzieren können und uns deshalb anderweitig damit versorgen müssen. Als Aminosäure wird es natürlich zur Synthese von Proteinen benötigt.

Tryptophan ist außerdem das Ausgangsmaterial für die Synthese von Serotonin, das ja auch als „Glückshormon“ bekannt ist. In Wirklichkeit erfüllt es aber viele verschiedene Funktionen, vor allem im Bereich des Verdauungstraktes, des Herz-Kreislauf-Systems und natürlich des Nervensystems.

Aber nur weniger als fünf Prozent des verfügbaren Tryptophans werden über den Serotonin-Weg abgebaut oder in Proteine eingebaut. Über 90 % werden über den sogenannten Kynurenin-Weg abgebaut. An diesem Weg sind sogenannte Oxygenasen beteiligt. Das sind Enzyme, die Sauerstoff, den sie aus molekularem Sauerstoff beziehen, in ihre Substrate einbauen. Ohne Luft, also zum Beispiel im Darm, funktioniert das nicht. Das machen wir also selbst. Aber im Darm passiert trotzdem viel mit Tryptophan.

Tryptophan ist eine Schatzkiste für Darmbakterien

Vor allem, wenn wir uns proteinreich ernähren, gelangt ein beträchtlicher Teil Aminosäuren in den Dickdarm, wo sie von den Darmbakterien fermentiert werden. Das finden die nicht übermäßig lecker, und so werden die vorhandenen Ballaststoffe, die ja nach der Spaltung nur noch gut verwertbare Kohlenhydrate sind, bevorzugt verarbeitet. Zum Ende des Dickdarms hin steigen dann aber die Metabolite an, die die Bakterien aus Tryptophan gebastelt haben.

Die Darmbakterien ist es ein weniger beliebtes Substrat, aber trotzdem setzen viele Bakterien Tryptophan zu verschiedenen Indolverbindungen um. Indol? Das ist der Anhang, der aus zwei ringförmigen Kohlenstoffverbindungen besteht. Wenn die Bakterien mit dem Tryptophan fertig sind, haben sie verschiedene Verbindungen, die alle die Indolgruppe enthalten, produziert. Und da, wo sich im Tryptophan die eigentliche Aminosäure befand, hängen nun verschiedene „Reste“. So haben wir Indol, Skatol, Tryptamin, Indol-3-Aldehyd, Indol-3-Essigsäure, Indol-3-Propionat, Indol-3-Laktat und Indol-3-Acrylsäure.

Welche Darmbakterien sind hier am Werk?

Ruminococcus gnavus und Clostridium sporogenes verarbeiten Tryptophan zu Tryptamin. Sie spalten dazu einfach die Säuregruppe am „Kopf“ ab. Tryptamin ist das biogene Amin, das aus Tryptophan stammt und ein wichtiger Neurotransmitter für die glatte Muskulatur und im Nervensystem.

Andere Darmbakterien, wie Escherichia coli, Bacteroides und wieder Clostridien spalten Tryptophan in Indol und Alanin. Alanin ist eine harmlose Aminosäure. Indol wurde in der Vergangenheit weniger gern gesehen, denn es kann in der Leber zu einer giftigen Verbindung umgebaut werden. In letzter Zeit häufen sich aber Belege, dass Indol durchaus auch positive Effekte hat.

Manche Clostridien, Peptostreptococcus und Limosilactobacillus reuteri produzieren daraus IPA (Indol-3-propionat).

Bacteroides, Bifidobakterien und Eubakterien produzieren Indol-3-Essigsäure (IAA). Die gilt als möglicherweise krebserregend oder fruchtschädigend.

Lactobacilli produzieren Indol-3-Aldehyd (I3A).

Insgesamt entstehen aus Tryptophan durch die Aktivität der Darmbakterien mindestens acht verschiedene Indole, die allerlei Effekte auf den Stoffwechsel des Wirtes ausüben.

Und wozu sind diese Tryptophan Metabolite gut für uns?

Die Stoffwechselprodukte aus bakterieller Produktion haben wichtige physiologische Wirkungen für den Wirt, also für uns, den sie werden von den Darmepithelzellen aufgenommen und gelangen so in den Blutkreislauf.

Bakterielle Tryptophan Metabolite:

  • stärken die Darmbarriere
  • fördern die Sekretion von Peptidhormonen im Darm
  • steigern die Motilität des Darmes
  • wirken antioxidativ und entzündungshemmend

Manche (Indol, Indolpropionat und Indolacrylsäure) stärken die Darmbarriere. Indol fördert die Freisetzung von GLP-1. Das ist ein Peptidhormon, das die wiederum die Freisetzung von Insulin fördert, die Entleerung des Darmes verlangsamt und den Appetit reduziert. In hohen Konzentrationen kann Indol allerdings zytotoxisch wirken, weil es in der Leber zu Indoxylsulfat umgewandelt wird.

Biogene Amine

Tryptamin, das biogene Amin, das der Aminosäure Tryptophan, entsteht, wenn die Säuregruppe abgespalten wird. Es ist ein Neurotransmitter und fördert die Freisetzung von Serotonin, mit dem es nah verwandt ist, aus Darmzellen. Serotonin regt über das enterische Nervensystem die Darmbewegungen an.

Manche Tryptophan Metabolite (Indolpropionat, Indolethanol, Indolacrylsäure) wirken antioxidativ und entzündungshemmend.

AHR

Verschiedene Abbauprodukte des Tryptophan ( Indolacrylsäure, Indolaldehyd, Indolessigsäure, Indollaktat, Tryptamin, Skatol) regieren mit AHR (aryl hydrocarbon Rezeptor). Das ist ein Transkriptionsfaktor, ein Protein, das die Aktivität von Genen steuert. AHR liegt im Ruhezustand an verschiedene Proteine gebunden in der Zelle. Wenn ein Aktivator auftaucht, bindet er an den Transkriptionsfaktor, der daraufhin in den Zellkern wandert und dort seine Zielgene bearbeitet.

AHR findet man in den Zellen des Immunsystems. Die Aktivierung von AHR beeinflusst das angeborene und adaptive Immunsystem. Die Tryptophan Metabolite können dabei aktivierend oder hemmend auf AHR einwirken.

Es hat sich gezeigt, dass Lactobacillus spp. über sein Metabolit Indolaldehyd AHR aktiviert und die Synthese von Interleukin-22reguliert. Interleukin-22 spielt eine Rolle bei der Regeneration von Zellen. Es ist in vielen Geweben aktiv, unter anderem auch im Darm und stärkt dort die Darmbarriere.

Die verschiedenen Tryptophanderivate wirken unterschiedlich stark auf den AHR Rezeptor ein. Und die Stärke ihrer Wirkung ist auch von (Wirts)Spezies zu Spezies verschieden. Beim Menschen aktivieren die bakteriellen Liganden den Rezeptor sehr viel stärker als beispielsweise Kynurein, das aus unserem eigenen Stoffwechsel stammt.

Ein guter Start ins Leben mit Tryptophan

Es ist auffällig, dass sich in unserem Leben von Anfang an Tryptophan verarbeitende Darmbakterien quasi die Klinke in die Hand geben. Ganz am Anfang, kurz nach der Geburt, heißt es, dass vor allem Escherichia coli Indol im Darm des Säuglings produziert. Kurz danach siedeln sich Bifidobakterien an. Sie können Indollaktat bilden. Später, nach dem Abstillen, vermehren sich Lactobacillus, Ruminococcus, Bacteroides, Peptostreptococcus und Clostridium im Darm. Sie alle beteiligen sich rege am Tryptophanstoffwechsel. Und ihre Produkte erziehen und modulieren das Immunsystem.

Quellen:

Roager, Henrik M, and Tine R Licht. “Microbial tryptophan catabolites in health and disease.” Nature communications vol. 9,1 3294. 17 Aug. 2018, doi:10.1038/s41467-018-05470-4

Gupta, Sonu Kumar et al. “Microbiota-derived tryptophan metabolism: Impacts on health, aging, and disease.” Experimental gerontology vol. 183 (2023): 112319. doi:10.1016/j.exger.2023.112319

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