Dezember 4, 2024

Isoflavone gewinnen durch Darmbakterien

Soja enthält viele Isoflavone

Wenn Isoflavone nicht in aller Munde sind, sollte man das ändern, denn sie gehören auf jeden Fall dorthin. Diese sekundären Pflanzenstoffe könnten jede Menge gesundheitsfördernder Wirkungen haben. Ihre volle Wirkung entfalten sie aber erst, nach der Prozessierung durch bestimmte Darmbakterien.

Was sind Isoflavone?

Isoflavone sind sogenannte Polyphenole, die ein ganz bestimmtes Grundgerüst aufweisen, das mit verschiedenen Seitengruppen versehen ist. Sie sind Phytoöstrogene, da sie in ihrer Struktur dem Östrogen ähneln. Darauf beruht auch ihre biologische Aktivität und die gesundheitlichen Effekte, die ihnen nachgesagt werden. Das sind viele, aber die meisten davon gelten als nicht wissenschaftlich belegt.

Das hat verschiedene Gründe. Viele Erkenntnisse stammen aus Tiermodellen oder Studien an Zellkulturen und lassen sich nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragen. Und die Ergebnisse klinischer Studien liefern oft widersprüchliche Ergebnisse. Insider meinen allerdings, das könne an den Details der Settings liegen: unterschiedliche Versuchsdauer und zu geringe Teilnehmerzahlen, verschiedene Dosierung und Isoflavonquellen und fehlende Kontrollen. Da bleibt also noch Grund zur Hoffnung.

Was können Isoflavone?

Im Allgemeinen sagt man Isoflavonen eine positive Wirkung bei Wechseljahresbeschwerden zu. Außerdem sollen sie das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und verschiedene Krebsarten senken und sich günstig auf den Verlauf neurodegenerativer Krankheiten auswirken.

Isoflavone üben ihre Wirkung aus, indem sie an Östrogenrezeptoren binden. Davon gibt es zwei verschiedene, von denen sie einen bevorzugen. Da die Rezeptoren in den verschiedenen Geweben aber nicht gleichmäßig verteilt sind, kann sich die Isoflavonwirkung da dann auch unterscheiden.

Isoflavone sind typisch für Hülsenfrüchtler (Fabaceae oder Leguminosen). Die wichtigsten Formen sind Daidzein und Genistein und der Spitzenreiter unter den Produzenten ist mit viel Abstand Soja.

In ihrer natürlichen Umgebung liegen sie überwiegend als Glycosid vor, also als Daidzin und Gensitin (Hier fehlt ein „e“ im Namen) an ein Zuckermolekül gebunden. Das verringert ihre Bioverfügbarkeit enorm.

Darmbakterien verbessern Isoflavone

Und hier kommen die Darmbakterien ins Spiel. Ob uns die Isoflavone tatsächlich Gutes tun, hängt stark von der Zusammensetzung unseres Darm-Mikrobioms ab. Darmbakterien können einerseits den Zuckerrest abspalten, aber auch das Isoflavon so bearbeiten, dass seine Bioverfügbarkeit und Wirkung noch steigt.

Viele Milchsäurebakterien können den Zuckerrest abspalten. Damit verbessert sich die Bioverfügbarkeit schon, denn das Molekül wird kleiner und löst sich besser in Fett. Viele Milchsäurebakterien können das. Aber das Können variiert stark – und das nicht zwischen verschiedenen Arten, sondern von Stamm zu Stamm. Hier sind verschiedene Varianten einer einzigen Art gemeint.

Bakterielle Metabolite toppen die Originale

Die originalen Isoflavone haben schon reichlich positive Eigenschaften. Aber es geht noch besser. Über mehrere enzymatische Reaktionen wird Daidzein zu Equol, Genistein zu 5-OH-Equol umgearbeitet. Das ist prima. Diese Abkömmlinge besitzeneine viel höhere Östrogenwirkung.

An dieser Transformation sind mehrere Enzyme beteiligt, die verschiedene Zwischenstufen produzieren oder verarbeiten. Manche Bakterien besitzen alle nötigen Gene. Andere verarbeiten nur den Ausgangsstoff Daidzein zu DHD (Dihydroxydaidzein), einem Zwischenprodukt, andere nur DHD, aber nicht Daidzein, zum Endprodukt Equol. Teamwork also.

Angehörige der Familie der Coriobacteriaceae aus dem Stamm der Actinobacteria (zu dem auch Bifidobakterien gehören) fallend dadurch auf, dass sie die ganze Geschichte allein erledigen können. Eggerthella, Adlercreutzia und Slackia sind das. Auch viele Milchsäurebakterien, aber ihre Gene dafür sind anders angeordnet. Nur eines fällt noch auf: Ein bestimmter Stamm des Milchsäurebakteriums Lactococcus garvieae 20-92 hat den typischen Coriobakterienapparat. Es hat sein Können also vermutlich durch horizontalen Gentransfer erworben, also gemopst.

Nicht alle Mikrobiome produzieren Equol

In der westlichen Welt produzieren nur 20% bis 35% Prozent der Erwachsenen Equol. Das hängt damit zusammen, dass hier auch weniger Sojaprodukte auf dem Speiseplan stehen. Adlercreutzia equolifaciens ist ein typischer Equolproduzent, obwohl lange nicht alle Stämme tatsächlich Equol produzieren. Im globalen Westen können die meisten Angehörigen der Art, die den menschlichen Darm besiedeln, das nicht. Aber die Mäuse-Adlercreutzien können das.

Von den Mikrobiomen, die kein Equol liefern, produzieren 80 – 90 % O-DMA (O-Desmethylangolensin), ein Nebenprodukt ohne Hormonwirkung. Ziemlich wahrscheinlich sind hier verschiedene Bakterien am Werk, die hier dieselbe ökologische Nische besetzen.

Die Fähigkeit oder Unfähigkeit Equol zu produzieren scheint manchmal stabil. Manchmal kann sie durch Ernährung beeinflusst werden. Bei Vegetariern ist der Anteil an Equolproduzenten mehr als doppelt so hoch wie bei Fleischessern. Vermutlich enthält pflanzliche Kost für die Synthese von Equol nützliche Komponenten. Resistente Stärke, Lactulose und eine kohlenhydratreiche Ernährung scheinen die Equolproduktion zu streigern.

Nicht alle Mikrobiome produzieren Equol

Bei Säuglingen unter einem Jahr findet man weder im Urin noch im Blut Equol. Daraus schließen manche Forschende, dass Equolproduzenten Spätsiedler im menschlichen Verdauungstrakt sind. Oder fehlt in der Muttermilch – oder auch Kuhmilch das Isoflavon? Mein Verdacht, denn unter den Equol produzierenden Bakterien sind Bifidobakterien, absolute Frühsiedler.

Manche Mikrobiome produzieren kein Equol, obwohl Baktrien vorhanden sind, die das könnten. In einer Studie, die untersuchte ob man mit dem Verzehr von Daidzein die Produktion von Equol anregen kann, fand man, dass von einer Gruppe von acht Bakterienarten, die in produzierenden und nicht produzierenden Mikrobiomen anwesend sind, korrelierten nur zwei, Slackia isoflavoniconvertens und Asaccharobacter celatus deutlich mit der Equolproduktion.

Allgemein sind Equol produzierende Mikrobiome artenreicher. Kann also sein, dass auch die Bakterien, die alle nötigen Gene besitzen, trotzdem auf andere Arten angewiesen sind.

Die Equolproduktion steigt mit dem Verzehr von Daidzein. Und da ältere Menschen mehr Daidzein verzehren, produzieren ihre Darmbakteirne auch mehr Equol.

Equol ist ein guter Kandidat für functional food

Equol besitzt alle gesundheitsfördernden Eigenschaften der Isoflavone und ist dabei sogar noch wirksamer als der Ausgangsstoff Daidzein. Aber leider produzieren an unserem Ende der Welt maximal die Hälfte der Menschen Equol. Da wäre Equol mit all seinen positiven Eigenschaften ein ausgezeichneter Kandidat für die Entwicklung von Nahrungsergänzungsmitteln oder spezieller fermentierter Sojaprodukte. Erste Versuche laufen, aber es hakt noch hier und da. 🙂

Quellen:

Langa S, Peirotén Á, Curiel JA, de la Bastida AR, Landete JM. Isoflavone Metabolism by Lactic Acid Bacteria and Its Application in the Development of Fermented Soy Food with Beneficial Effects on Human Health. Foods. 2023 Mar 18;12(6):1293. doi: 10.3390/foods12061293. PMID: 36981219; PMCID: PMC10048179.

Mayo B, Vázquez L, Flórez AB. Equol: A Bacterial Metabolite from The Daidzein Isoflavone and Its Presumed Beneficial Health Effects. Nutrients. 2019 Sep 16;11(9):2231. doi: 10.3390/nu11092231. PMID: 31527435; PMCID: PMC6770660.

Iino C, Shimoyama T, Iino K, Yokoyama Y, Chinda D, Sakuraba H, Fukuda S, Nakaji S. Daidzein Intake Is Associated with Equol Producing Status through an Increase in the Intestinal Bacteria Responsible for Equol Production. Nutrients. 2019 Feb 19;11(2):433. doi: 10.3390/nu11020433. PMID: 30791484; PMCID: PMC6412946.

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