Mai 22, 2024

Sulfoquinovose: Darmbakterien machen grünes Gemüse zu Schwefelwasserstoff

Sulfoquinovose aus grünem Gemüse endet als Schwefelwasserstoff im Darm

Tierische Nahrung gilt als ungesund. Vor allem tierisches Protein, weil es schwefelhaltige Aminosäuren enthält, bei deren Abbau im Darm Schwefelwasserstoff entsteht. Pflanzliche Kost gilt dagegen (zurecht) als sehr gesund. Und dann das: Sulfoquinovose, ein schwefelhaltiger Zucker aus den Chloroplasten grüner Pflanzen, endet als echter, aber veganer 😉 „Schvefelwasserstoff“.

Es geht und Sulfoquinovose

Sulfoquinovose (6-deoxy-6-sulfoglucose, SQ) ist ein schwefelhaltiger Verwandter der Glucose und Bestandteil von Sulfolipiden in den photosynthetisch aktiven Membranen der Chloroplaten von grünen Pflanzen.

Sulfoquinovosyl diacylglycerol (SQDG, so heißt das Lipid) ist eine der häufigsten organischen Schwefelverbindungen und kann mehr als 25 % Fette von grünem Blattgemüse ausmachen.

Bestimmte Bakterien können Sulfoquinovose, die beim Abbau dieses Lipids freigesetzt wird, auf ganz normalen Glucose-Abbauwegen verstoffwechseln. Dabei entstehen verschiedene Zwischenprodukte wie 3-Sulfolaktat oder DHPS (2,3-Dihydroxypropan-1-Sulfonat). Die können, wie der Namensbestandteil „Sulf“ schon andeutet, als Quelle für Sulfit dienen und von Sulfatatmern, wie zum Beispiel Desulfovibrio, als Substrat für die Atmung dienen, deren Endprodukt Schwefelwasserstoff ist.

Passiert das auch? Falls ja, dann hat man hier eine bisher übersehene Quelle für Schwefelwasserstoff im Darm entdeckt. Noch dazu eine, die tatsächlich vegan ist.

Schwefelwasserstoff ist ja bekanntlich ein Giftgas. Geringe Konzentrationen sind okay und sogar nützlich. In höheren Konzentrationen stört er die Darmbarriere und hemmt Cytochrom C, einen wichtigen Bestandteil der Zellatmung in den Mitochondrien.

Experimente in Fimo

In Fimo bedeutet: Excrement examined experimentally. Ausscheidungen, also Faeces, die experimentell untersucht werden. Dazu gewannen die Forschenden Suspensionen aus den Exkrementen mehrerer Vegetarier, die sie unter verschiedenen Bedingungen inkubierten. Entweder unter der Zugabe von Sulfoquinovose oder einem Substrat zur Kontrolle.

Sie beobachteten tatsächlich, dass die Sulfoquinovose binnen 20 h aus der Kultur verschwand und sich stattdessen eine andere Verbindung, nämlich DHPS, anreicherte. Auch das DHPS verschwand wieder und übergab die Stafette an Schwefelwasserstoff. Aus dem pflanzlichen Schwefelzucker entsteht also tatsächlich Schwefelwasserstoff.

Das Erscheinen und Verschwinden von SQ und DHPS ging mit Veränderungen der Zusammensetzung der Mikrobengesellschaft einher. Allerdings waren nur wenige Arten betroffen. Und nur zwei davon schwankten wirklich stark in ihrer Populationsstärke: Eubacterium rectale und Bilophila wadsworthia.

E. rectale wuchs zuerst heran, während die Sulfoquinovose aus dem Ansatz verschwand. Erst danach, als DHPS abnahm, stiegen auch die Zahlen für B. wadsworthia an. Neben Bilophila fand man auch noch Desulfovibrio, auch ein Sulfatreduzierer.

Diese Ergebnisse legen nahe, dass Sulfoquinovose im Darm kooperativ von verschiedenen Bakterien abgebaut wird. Man bezeichnet das auch als Crosfeeding. One Bac’s trash, another Bac’s treasure.

Und wer ist dieses Erfolgsduo?

Eubacterium rectale ist ein hoch angesehenes Darmbakterium. Es gehört zu der Truppe, die aus Ballaststoffen kurzkettige Fettsäuren produzieren, die so wichtig für die Darmgesundheit und nicht nur die sind. Bilophila wadsworthia dagegen ist eines der weniger geschätzten Proteobakterien, die sich sehr negativ auf die Gesundheit auswirken können und mit Entzündungen und Krebs in Verbindung gebracht werden.

Eine Kooperation zwischen gut und böse. Und grünes Gemüse hat anscheinend auch seine dunklen Seiten. Da sieht man doch mal wieder, wie viele Facetten das Leben hat. Nicht nur das im Darm.

Quelle:

Hanson, Buck T et al. “Sulfoquinovose is a select nutrient of prominent bacteria and a source of hydrogen sulfide in the human gut.” The ISME journal vol. 15,9 (2021): 2779-2791. doi:10.1038/s41396-021-00968-0

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert