Oktober 30, 2024

Resveratrol und die Darmbakterien

Resveratrol steckt nicht nur in Rotwein

Resveratrol ist der Grund, weshalb ein Gläschen Rotwein so gesund sein soll. Es soll auch der Vermittler des „Französischen Paradox“ sein. Das ist die Tatsache, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Frankreich nicht so häufig sind, obwohl die Franzosen mehr tierische Fette verspeisen. Das Resveratrol soll es wieder ausbügeln. Aber wohl nicht ohne die Darmbakterien.

Die Sache mit dem Resveratrol ist schon lustig. Die einen loben seine gesundheitsfördernde Allroundwirkung. Das sind die, die es verkaufen wollen. Die anderen – Ärzte – weisen darauf hin, dass diese und jene Wirkung nicht belegt ist. Ja, was nun? Alle blicken dabei nur auf einzelne Studien. Und es wäre echt toll, wenn in der biomedizinischen Forschung alle Studien zu demselben Ergebnis kämen. Das tun sie aber nicht. Dazu gibt es viel zu viele Stellschrauben, an denen versehentlich gedreht wird und die das Ergebnis stark beeinflussen oder gar ins Gegenteil verkehren. Die Darmbakterien spielen dabei oft wohl auch eine Rolle. Aber trotzdem klingt manches zu schön, um wahr zu sein. Da will man doch die Hoffnung nicht aufgeben…

Was darf man von Resversatrol erwarten?

Resveratrol ist ein sekundärer Pflanzenstoff, ein Polyphenol aus der Gruppe der Stilbene. Rotwein ist wohl die berühmteste Quelle, aber außer in Trauben kommt es in verschiedenen anderen Pflanzen vor, vor allem Him- und Heidelbeeren, Erdnüssen, Walnüssen und dem japanischen Staudenknöterich Polygonum cuspidatum. Der enthält das meiste Resveratrol. Er ist ein unbeliebter Neophyt, der sich überall unerwünscht ausbreitet und wird mühsam von Naturschützern bekämpft. Er ist aber auch essbar. Jedenfalls ist er nicht giftig.

In seiner natürlichen Umgebung liegt Resveratrol vor allen glycosyliert, also an ein Traubenzuckermolekül gebunden, vor.

Resveratrol hat antioxidative und entzündungshemmende Eigenschaften. Das scheint wohl ziemlich sicher. Außerdem soll es sich positiv bei verschiedenen Erkrankungen, wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, neurodegenerativen Krankheiten und dem metabolischen Syndrom auswirken.

Die meisten Erkenntnisse stammen aber von Studien an Ratten, Mäusen und Zellkulturen und lassen sich anscheinend nicht so leicht auf den Menschen übertragen. Die Reaktionen einzelner Individuen unter identischen Versuchsbedingungen sind jedenfalls sehr unterschiedlich.

Resveratrol wird auf dem Weg durch unseren Körper auch heftig verstoffwechselt. Im Darm gibt es bakterielle Enzyme, die sich den Zuckerrest abspalten. Drei Viertel der aufgenommenen Menge werden resorbiert und in der Leber zu Sulfaten und Glucuroniden umgebaut. Das reduziert wohl die Bioverfügbarkeit. Deswegen wirkt Resveratrol in der Zellkultur besser als im echten Körper.

So wirkt Resveratrol – vielleicht

Auf jeden Fall ist Resveratrol ein interessantes Molekül. Es ist hydrophob, also wasserabweisend und löst sich daher besser in Fett oder organischen Lösungsmitteln. Man hat festgestellt, dass es an verschiedene Proteine bindet, wahrscheinlich an sogenannte hydrophobe Taschen, und dadurch deren Aktivität verändert. Dazu gehört zum Beispiel Sirtuine und andere Signalwege. Sirtuine sind Proteine, die Berühmtheit erlangt haben, weil sie mit Langlebigkeit und einem schlanken Erscheinungsbild in Verbindung gebracht werden. Biochemisch betrachtet sind sie Enzyme, die die Struktur der Chromosomen verändern und dadurch die Aktivität bestimmter Gene verändern.

Über die Interaktion mit anderen Proteinen kann es die Verfügbarkeit von Stickstoffmomoxid (NO) steigern. NO ist ein Botenstoff, der entspannend auf die glatte Muskulatur wirkt. Das wirkt gefäßerweiternd. Studien haben gezeigt, dass Resveratrol den Blutdruck senken kann. Andere, sehr ähnliche Studien kamen allerdings zu einem negativen Ergebnis. Das sind, wenn überhaupt, nur wenige Effekte von Resveratrol, denn es bindet noch an viele andere Proteine.

Resveratrol hat nützliche Verwandte

Die Bedeutung der Darmbakterien im Stoffwechsel von Resveratrol wird immer deutlicher. Neben Resveratrol sind noch andere, sehr ähnliche Moleküle im Spiel, wenn es um die wohltätigen Effekte des Polyphenols geht.

Piceid ist ein Glucosid von Resveratrol, trägt also einen Traubenzuckerrest. Darmbakterien können den abspalten oder wieder anheften. Bifidobacterium infantis und Lactobacillus acidophilus können das.

Dihydroresveratrol unterschiedet sich von Resveratrol nur dadurch, dass dem „Griff“ des hantelförmigen Moleküls eine Doppelbindung fehlt. Slackia equolifaciens und Adlercreutzia equolifaciens können das machen.

Piceatannol, das nur eine zusätzliche OH- Gruppe trägt, ist auch ein Resveratrolderivat mit interessanter pharmakologischer Aktivität. Es wirkt teilweise wohl stärker als Resveratrol selbst.

Resveratrol-Effekte lassen sich transplantieren

Die positiven Effekte von Resveratrol kommen nicht allein. Sie werden von Veränderungen der Darm-Mikrobiota begleitet: Bacteroides, Lactobacillus, Bifidobacterium und Akkermansia vermehren sich und nehmen zu.

Auch Produzenten kurzkettiger Fettsäuren, wie Lachnospiraceae, Erysipelotrichaceae und Ruminococcaceae nehmen zu. Das ist prima.

Von Butyrat, einer kurzkettigen Fettsäure, ist bekannt, dass es dieselben biochemischen Ziele angreift wie die bereits erwähnten Sirtuine.

Die Einnahme von Resveratrol wird auch mit gesteigerter körperlicher Aktivität und Ausdauer sowie einem verbesserten Stoffwechsel der Muskeln in Verbindung gebracht.

Eine Stuhltransplantation von Spendermäusen, die mit Resveratrol gefüttert wurden, verhalf den Empfängern zu einem verbesserten Glucosestoffwechsel, niedrigerem Blutdruck und geringeren Entzündungswerten. Ein starkes Indiz, dass die Darmbakterien hier ihre Finger im Spiel hatten.

Was bringt die Einnahme von Resveratrol?

Die vielversprechenden Forschungsergebnisse stammen meist aus Nagern oder Zellkulturen. In Humanstudien sind die Ergebnisse oft widersprüchlich und nicht dosisabhängig. Die Gabe von reinem Resveratrol in hohen Dosen führt mitnichten zu einer stärkeren Wirkung. Es zeichnet sich aber immer wieder ab, dass resveratrolhaltige Nahrungsmittel mit nur geringem Gehalt bessere Ergebnisse liefern als hoch konzentrierte Nahrungsergänzungsmittel. Rotwein ist so ein Kandidat. Prost! Er wirkt auch in seiner entalkoholisierten Form. Zum Wohl. 😉

Quelle:

Godos J, Romano GL, Gozzo L, Laudani S, Paladino N, Dominguez Azpíroz I, Martínez López NM, Giampieri F, Quiles JL, Battino M, Galvano F, Drago F, Grosso G. Resveratrol and vascular health: evidence from clinical studies and mechanisms of actions related to its metabolites produced by gut microbiota. Front Pharmacol. 2024 Mar 18;15:1368949. doi: 10.3389/fphar.2024.1368949. PMID: 38562461; PMCID: PMC10982351.

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