Gallensäuren helfen bei der Verdauung von Fetten und Resorption fettlöslicher Vitamine. Für unsere Darmbakterien sind sie interessante Metabolite, ein Segen und ein Fluch zugleich. Und auch wir bekommen die Auswirkungen ihrer Aktivität zu spüren.
Gallensäuren?
Gallensäuren werden in der Leber aus Cholesterin gebildet und sind für die Verdauung der Nahrungsfette wichtig. Die Leber produziert sogenannte primäre Gallensäuren, die wichtigsten sind Cholsäure (CA) und Chenodesoxycholsäure (CDCA). Um ihre Löslichkeit in Wasser zu verbessern, werden sie noch mit Taurin oder Glycin zu konjugierter Gallensäure verknüpft. Diese werden dann aus der Gallenblase auf den Darminhalt losgelassen. Die Gallenflüssigkeit besteht zu etwa 50 % aus Gallensäuren und wir produzieren pro Tage 0,7 bis 1,0 Liter davon.
Gallensäuren scheinen kostbar zu sein, denn sie werden nach Gebrauch im enterohepatischen Kreislauf recycelt. Dazu werden sie am Ende des Dünndarms aktiv mit hoher Effizienz resorbiert, oder im Dickdarm passiv, einem Gefälle folgend, aufgenommen. Die resorbierten Moleküle werden dann mit dem Blutkreislauf zur Leber transportiert, aufgenommen und zu neuen Gallensäuren aufgefrischt.
Etwa 95 % des Pools wird resorbiert und nur 5 % mit dem Stuhl ausgeschieden. Von den resorbierten Molekülen werden entwischt ein kleiner Teil der Aufbereitung in der Leber und erreicht andere Organe.
Der FXR Rezeptor regelt den Stoffwechsel der Gallensäuren
Gallensäuren regulieren ihre eigene Synthese über einen Kernrezeptor, FXR. Das ist ein Transkriptionsfaktor, ein Protein, das die Aktivität von Genen reguliert. FXR tut das im Zusammenspiel mit verschiedenen Liganden, zu denen auch Gallensäuren gehören. Aktivieren diese FXR, hemmt das die Aktivität des geschwindigkeitsbestimmenden Enzyms der Gallensäuresynthese.
Aber FXR hat noch weitere Ziele. Es ist an der Regulation des Zuckerstoffwechsels, Fettstoffwechsels, der Proteinsynthese, entzündlichen Vorgängen und der Regeneration der Leber beteiligt. Wahrscheinlich ein hohes Tier in unserem Stoffwechsel.
Jetzt kommen die Darmbakterien ins Spiel
Gallensäuren wirken wie Detergenzien und können die Membranen und Zellwände der Bakterien schädigen. Damit sind sie eine echte Herausforderung für die Darmbakterien. Und über den Regulator FXR können sie auch die Produktion eines antimikrobiellen Peptids veranlassen.
Auf der anderen Seite sind Gallensäuren eine riesige Spielwiese für die Bakterien und sie basteln fleißig daran herum. Kurz festhalten:
Dekonjugation, Oxidation, Isomerisierung, Reduktion, Acylierung, Glucuronidierung oder die Addition von anderen Zuckerstoffen, Sulfatierung und Dehydration gehören zum Repertoire der Bakterien. Wie man erst kürzlich festgestellt hat, auch Amidierungen mit verschiedenen Aminosäuren. Insgesamt produzieren die Darmbakterien wesentlich mehr verschiedene Verbindungen, als bisher angenommen. Und welche Auswirkungen das hat, ob gurte oder schlechte, das bleibt noch zu erforschen.
Die wichtigsten Aktionen sind aber
- Dekonjugation, das Abspalten des Säurerests
- Dehydrogenierung, das Abspalten von Wasserstoff
- Dehydroxylierung, das Abspalten einer OH – Gruppe
Dekonjugation
Bei der Dekonjugation durch Gallensalzhydrolase (BSH, englisch, deswegen B für bile, Galle) wird der Aminosäure- oder Taurinrest von den Gallensäurenn abgespalten. Viele Darmbakterien verfügen über dieses Enzym. Es ist unter Firmicutes (30%), Bacteroidetes (14.4%), und Actinobacteria (8.9%) verbreitet. Beispielsweise die Gattungen Clostridium, Bacteroides, Lactobacillus, Bifidobacterium und Enterococcus.
Die Bakterien tun das wahrscheinlich, um die abgespaltene Reste als Energie oder Rohstoffquelle zu nutzen. Manche haben es wohl auch auf das Cholesterin abgesehen, das bei diesen Reaktionen freigesetzt wird und bauen es in ihre eigenen Membranen ein. Und nicht zuletzt nimmt die Toxizität der Gallensäuren durch diesen Prozess ab, weil ihre Löslichkeit in Wasser sinkt – deswegen wurden die Anhängsel ja ursprünglich angebracht.
Wenn Darmbakterien Gallensäuren dekonjugieren hat das verschiedene Konsequenzen für uns als Wirte. Die dekonjugierten Produkte können Fette weniger gut emulgieren und auch das Recycling im enterohepatischen Cyclus funktioniert weniger gut. Dadurch steigt der Verlust und muss ersetzt werden. Dazu ist Cholesterin nötig, sodass sein Blutspiegel sinkt.
Dehydrogenierung
Die Darmbakterien verfügen über verschiedene Hydroxysteroid Dehydrogenasen (HSDH), mit deren Hilfe sie mehr als 20 verschiedene Produkte herstellen können. Es entstehen sekundäre Gallensäuren, von wieder anderen Mikroorganismen weiter zu noch mehr sekundären Gallensäuren umgesetzt werden.
Man vermutet, dass diese Verbindungen den Bakterien im Energiestoffwechsel nutzen, als Elektronenakzeptoren für eine anaerobe Atmung. Damit hätten sie einen schönen Vorteil. Aber auch die Entschärfung der primären Gallensäuren könnte eine Rolle spielen. Und sie verändern die Virulenz pathogener Bakterien, wie C. difficile. Tatsächlich hat man den genauen Sinn noch nicht verstanden.
Die sekundären Gallensäuren werden ebenfalls im enterohepatischen Cyclus recycelt und gelangen damit in Leber und Galle.
Es gibt ziemlich viele verschiedene sekundäre Gallensäuren, die wohl verschiedene und auch gegensätzliche Auswirkungen haben. Die Zusammensetzung der Darmbakterien entscheidet letztendlich darüber, wie genau sich dieser Pool zusammensetzt.
Sekundäre Gallensäuren und Darmmikrobiom beeinflussen einander
Auch die sekundären Gallensäuren aus der Produktion der Darmbakterien gehen Wechselwirkungen mit FXR, dem Regulator des Gallensäurestoffwechsels ein. Und teilweise aktivieren sie ihn sogar stärker, als die primären Originale. Damit haben die Darmbakterien einen Schlüssel zur Hand, mit dem sie drastisch in den Stoffwechsel des Wirts eingreifen können, zum Beispiel, indem sie die Synthese von primären Gallensäuren übermäßig stark hemmen.
Gallensäuren schädigen nicht nur die fetten Bestandteile der Bakterienzelle. Sie schwächen auch die Stabilität von Makromolekülen, was DNA – Schäden und fehl gefaltete Proteine zur Folge haben kann. Dann funktioniert die Zelle natürlich nicht mehr gut. Außerdem regen Gallensäuren über FXR das Immunsystem des Wirts und die Produktion antimikrobieller Peptide an. Durch die Gabe von Gallensäuren kann daher übermäßiges Bakterienwachstum reduziert werden. Wobei nicht alle Bakterien gleichmäßig betroffen sind.
Cholsäure fördert das Wachstum von Firmicutes. Ihr Anteil kann sich in Anwesenheit dieser primären Gallensäure fast verdoppeln. Das basiert vor allem auf einer sehr starken Vermehrung von Clostridien, die diesem Stamm angehören.
Sekundäre Gallensäuren hemmen auch das Auskeimen der Sporen von C. difficile. Bei Patienten mit wiederkehrenden C. difficile Infektionen liegt oft ein Überschuss an primären und ein Mangel an sekundären Gallensäuren vor. Und es ist bekannt, dass sekundäre Gallensäuren das Auskeimen der Sporen von C. difficile direkt hemmen.
Ein Mangel an Gallensäuren begünstigt das Wachstum Gram-negativer Bakterien. Die Zellwände dieser Bakterien enthalten das potenziell gefährliche LPS. Das liegt vielleicht daran, dass IsoalloLCA, eine sekundäre Gallensäure, stark hemmend ausschließlich auf das Wachstum Gram-positiver Bakterien wirkt. Zum Beispiel C. difficile und E. faecium.
Im Mikrobiom Hundertjähriger gibt es viele dieser Darmbakterien, die in der Lage sind, diese und andere einzigartige sekundäre Gallensäuren zu produzieren.
Quellen:
Winston, Jenessa A, and Casey M Theriot. “Diversification of host bile acids by members of the gut microbiota.” Gut microbes vol. 11,2 (2020): 158-171. doi:10.1080/19490976.2019.1674124
Sato, Yuko et al. “Novel bile acid biosynthetic pathways are enriched in the microbiome of centenarians.” Nature vol. 599,7885 (2021): 458-464. doi:10.1038/s41586-021-03832-5
Mohanty, Ipsita et al. “The underappreciated diversity of bile acid modifications.” Cell, S0092-8674(24)00185-5. 6 Mar. 2024, doi:10.1016/j.cell.2024.02.019