April 24, 2024

Clostridien sind nicht so schlecht wie ihr Ruf

Mit Clostridien hat dieses niedliche Monster nichts zu tun

Clostridien sind sogenannte Umweltkeime, die überall vorkommen. Manche von ihnen können tödliche Krankheiten verursachen. Aber deswegen muss man sich vor Clostridien im Darm nicht unbedingt fürchten, denn viele von ihnen sind harmlose Kommensale, die uns auch noch Gutes tun.

Clostridien leben im Verdauungstrakt höherer Lebewesen und vor allem im Boden. Sie sind obligat anaerob, vertragen also absolut keinen Sauerstoff. Das Besondere an ihnen ist, dass sie Sporen bilden können. Diese Dauerformen der Zellen können auch die widrigsten Umweltbedingungen überstehen und keimen erst wieder aus, wenn die Lage sich gebessert hat. So können auch gefährliche Clostridien durch Staub und Erbpartikel in Lebensmittel gelangen, ohne vorher durch den Luftsauerstoff zu sterben.

Die verzwickte Clostridiengesellschaft

Clostridien sind alter Bakterienadel. Die erste Art hat man bereits im 19ten Jahrhundert entdeckt und auf den Namen Vibrion butyrique getauft, weil man schon damals feststellte, dass diese Bakterien viel Butyrat, eine kurzkettige Fettsäure, produzieren. Später hat man die Art in Clostridium butyricum umbenannt und damit die Gattung Clostridium begründet.

Seit neuestem teilt man die Gattung Clostridien in 19 so genannte Cluster ein. Zwei davon, Cluster IV, auch C. leptum Gruppe genannt, und Cluster XIVa, die C. coccoides Gruppe, kommen im Darm vor. Und Clostridium butyricum, das zu Cluster I gehört. Sie machen 10 – 40 % der Darmbakterien aus. Um die Verwirrung perfekt zu machen, zählen auch andersnamige Bakterien, wie unter anderem Faecalibacterium prausnitzii, zur Gattung Clostridium.

Clostridien gehören zu den frühen Siedlern im Darm eines Neugeborenen. Sie erscheinen schon innerhalb der ersten Lebenswoche in den Ausscheidungen der Säuglinge. Dabei handelt es sich meist um C. butyricum, C. paraputrificum und C. difficile.

Wovon leben Clostridien?

Clostridien können verschiedenen organische Verbindungen fermentieren. In unserem Darm vergären sie vor allem unverdauliche Kohlenhydrate, also Ballaststoffe. Die Fermentation von Proteinen bzw. Aminosäuren scheint auch eine Rolle zu spielen.

Sie produzieren daraus kurzkettige Fettsäuren (SCFA), nämlich Essigsäure, Propionat und Butyrat sowie verschiedene Lösungsmittel wie Aceton und Butanol.

Clostriden können sehr gefährlich sein

Verschiedene Clostridien produzieren Giftstoffe, die schwerwiegende Erkrankungen hervorrufen können. Diese Toxine wirken als Nervengift. Die Gene, die sie zur Produktion dieser Giftstoffe benötigen, sind ziemlich mobil und werden zwischen den Angehörigen verschiedener Arten oder Stämme ausgetauscht.

Aber sie tun uns auch viel Gutes

Die meisten Clostridien sind kommensale Bakterien und leben mit ihrem Wirt in Harmonie. Viele modulieren das Immunsystem dahingehend, dass es weder übereifrig noch zu träge wird.

Außerdem sind sie wichtige Butyratbildner und Butyrat hat unglaublich viele positive Eigenschaften. Es nährt die Zellen des Darmepithels und stärkt die Darmbarriere. Es wirkt entzündungshemmend und stabilisiert das Darmmilieu – um nur weniges zu nennen.

Clostridien beteiligen sich aber auch am Stoffwechsel von Gallensäuren und die spielen eine wichtige Rolle für das metabolische Gleichgewicht im Darm. Ein Ungleichgewicht der Gallensäuren wird mit verschiedenen Erkrankungen in Verbindung gebracht.

Gallensäuren werden in der Leber als primäre Gallensäuren gebildet und normalerweise nach Gebrauch zur Leber zurückgebracht, um wiederverwertet zu werden. Gallensäuren werden aber auch von Darmbakterien, zum Beispiel Clostridien, unter Umständen zu sekundären Gallensäuren umgebaut. Auch die werden recycelt, aber sie können der Leber schaden. (Möglicherweise ein Grund, warum fettes Essen ungesund ist (?), denn viel Fett lockt viele Gallensäuren.)

Wie bereits erwähnt können Clostridien auch Proteine und deren Bausteine, die Aminosäuren, fermentieren. Dabei entsteht Ammonium und das schädigt die Zellen des Darmepithels. (Ist das der Grund, warum Ernährungswissenschaftler vor zu viel Eiweiß warnen? Das Eiweiß selbst schadet nämlich eher nicht.)

Die Endprodukte der Fermentation von Aminosäuren können sich aber auch positiv auf die Gesundheit auswirken. Aus der Aminosäure Tryptophan entsteht Indolessigsäure und Indolpropionat (IPA). Beide wirken sich positiv auf die Gesundheit aus: IPA reduziert zum Beispiel die Permeabilität der Darmbarriere und wirkt als Radikalfänger.

Und nicht zuletzt verarbeiten Clostridien Polyphenole zu Metaboliten mit großem gesundheitlichen Nutzen.

Clostridien als Probiotika

Wegen ihrer vielen nützlichen Eigenschaften überlegen Forschende, ob Clostridien auch als Probiotika Verwendung finden könnten. Die Sache ist etwas heikel, wegen des regen Tauschhandels mit Toxinen. C. butyricum, der harmlose Butyratbildner, wird im asiatischen Raum kommerziell als Probiotikum gehandelt. Aber auch er kann Träger von Toxingenen sein – wobei natürlich nur solche Stämme im Handel sind, denen diese Gene fehlen. Wenn man alle Bedenken aus dem Weg geschafft hat, verhalten sich Clostridien wie „ganz normale“ Probiotika: Sie passieren den Darm, ohne sich dauerhaft anzusiedeln 😉

Mit Clostridien hat dieses niedliche Monster nichts zu tun
Mit Clostridien hat dieses niedliche Monster nichts zu tun / Bild von kalhh auf Pixabay

Quellen:

Guo, Pingting et al. “Clostridium species as probiotics: potentials and challenges.” Journal of animal science and biotechnology vol. 11 24. 20 Feb. 2020, doi:10.1186/s40104-019-0402-1

Grenda, Tomasz et al. “Probiotic Potential of Clostridium spp.-Advantages and Doubts.” Current issues in molecular biology vol. 44,7 3118-3130. 7 Jul. 2022, doi:10.3390/cimb44070215



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