März 28, 2024

Ketogene Ernährung – und die Darmbakterien?

Ketogene Ernährung passt auch den Darmbakterien

Ketogene Ernährung bedeutet, Kohlenhydrate weitgehend aus der Ernährung auszuschließen. Kann das gesund sein? Schließlich beten viele von uns für ihr täglich Brot. Tatsächlich ist die Studienlage alles andere als eindeutig. Man könnte meinen, hier werden wirklich nur Hausnummern gemessen. Aber es zeichnet sich ein deutlicher Trend ab, der besagt, dass ketogene Ernährung durchaus ihre gesundheitlichen Vorteile haben kann.

Was ist ketogene Ernährung?

Ketogene Ernährung ist eine Ernährungsform, bei der so wenige Kohlenhydrate aufgenommen werden, dass der Körper seine bevorzugte Energiequelle wechselt und von Zucker- auf Fettverbrennung umschaltet.

Auch die Proteinaufnahme muss eingeschränkt werden, denn die meisten Aminosäuren, aus denen Proteine bestehen, werden zu Glucose abgebaut. Der Energiebedarf wird dann weitgehend über Fett gedeckt.

Das ist nicht schlimm. Mit Ausnahme der Transfette, die vor allem in Industrieprodukten enthalten sind, sind Fette zumindest nicht gesundheitsschädlich. Manche von ihnen sind sogar gesund, zum Beispiel Olivenöl, oder lebenswichtig, zum Beispiel die essenziellen mehrfach ungesättigten Fettsäuren.

Das Gehirn kann aber keine Fettsäuren verbrennen. Es ist in diesem Fall auf sogenannte Ketonkörper angewiesen. Die stellt die Leber aus Acetyl~CoA her. Und was ist das nun schon wieder?

Acetyl~CoA, oder aktivierte Essigsäure, ist das eigentliche Substrat für die Zellatmung. Es entsteht sowohl beim Abbau von Fetten als auch Glucose. Und wenn das Gehirn glucosefrei versorgt werden muss, dient Acetyl~CoA als Ausgangspunkt für die Herstellung von Ketonkörpern, nämlich in erster Linie β-Hydroxybutyrat, dann noch Acetoacetat und ein wenig Aceton.

Es hat sich übrigens herausgestellt, dass β-Hydroxybutyrat nicht nur ein Energielieferant ist, sondern auch wichtige Signalfunktionen im Stoffwechsel hat. Es scheint gut zu sein, wenn etwas davon im Blut zirkuliert.

Ketogene Ernährung stellt die Nahrungspyramide auf den Kopf: An der Basis befinden sich Fette, an der Spitze stehen Kohlenhydrate. Aber es gibt verschiedene Formen von ketogener Ernährung. Die sogenannte therapeutische ketogene Diät enthält besonders viel Fett, bis zu 90 %, mit je 5 % Protein und Kohlenhydrate. Sie wird erfolgreich zur Behandlung von Epilepsie eingesetzt. Die Standard ketogene Ernährung kommt mit 75 % Fett aus und enthält dafür 20 % Protein. Die Kohlenhydrate bleiben bei 5 %. Im Vergleich dazu enthält die von der DGE empfohlene „ausgewogene“ Ernährung 55 % Kohlenhydrate, während maximal 30 % der Energie aus Fett stammen sollte.

Oft wird als allgemeine Richtlinie auch 50 g Kohlenhydrate pro Tag angegeben. Falls das aber 5 % ausmachen soll, entspricht das von täglich 4000 kcal. Manchmal liest man auch 30 g KH pro Tag. Das kommt eher hin, ist aber schnell erreicht.

Was tut man sich mit ketogener Ernährung an?

Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass eine ketogene Ernährung tatsächlich einige positive Effekte auf die Gesundheit haben kann. Auf welchem Weg das passiert, ist noch nicht bekannt, aber einiges spricht dafür, dass, wie so oft, die Darmbakterien dabei eine Rolle spielen. Bei Epilepsie beispielsweise wirkt sich der Kohlenhydratentzug nur positiv auf die Häufigkeit von Anfällen aus, wenn der Darm von Bakterien besiedelt ist, wie Studien an Mäusen zeigten.

Diabetes

Vor der Entdeckung des Insulins war ketogene Ernährung eine logische und wirksame Therapie gegen Diabetes. Typ 2 Diabetes ist von ständig erhöhten Insulinspiegel kennzeichnet, die durch das ständige Essen von Kohlenhydraten verursacht werden, denn sie erhöhen den Blutzuckerspiegel und locken Insulin aus der Bauchspeicheldrüse. Als Folge werden die Zellen blind für Insulin, können es nicht mehr wahrnehmen. Es entwickelt sich eine Insulinresistenz. Lässt man die Kohlenhydrate weg, bleibt der Blutzuckerspiegel konstant und das Insulin zu Hause.

Verschiedene Studien zeigen, dass ketogene Ernährung die Symptome von Diabetes lindern kann.

Eine Studie verglich eine VLCKD (Very Low Calory Ketogenic Diet) mit einer „einfachen“ Kalorienrestriktion (LC, Low Calory). Ergebnis: Innerhalb von 24 Wochen hatten sich die Blutzuckerspiegel der Typ 2 Diabetiker in der VLCKD Gruppe normalisiert, nicht aber bei der LC Gruppe.

Auch im Vergleich mit einer Diät mit niedrigem glykämischen Index schnitt die ketogene Diät besser ab. Der Glykämische Index ist ein Maß für die Belastung des Blutzuckerspiegels, die kohlenhydrathaltige Nahrungsmittel mitbringen.

Bei kohlenhydratreduzierter, nicht aber fettreduzierter Ernährung sinkt der Nüchternblutzucker, wie eine Studie zeigte. Und auch der HbA1c Wert sinkt bei ketogener Ernährung. HbA1c ist ein Teil des Blutfarbstoffs Hämoglobin und hat eigentlich nichts mit Diabetes zu tun. Aber alle Proteine werden von Zucker „glykosyliert“ und je mehr Zucker da ist, desto mehr verzuckertes Protein findet man. Der Anteil von glykosyliertem Protein, auch HbA1c, gibt als „Langzeitzucker“ daher Aufschluss über den langfristigen Blutzuckerspiegel.

Adipositas

Ketogene Ernährung reduziert die Ausschüttung von Insulin und reduziert dadurch die Blutzucker- und Insulinspiegel im Blut. Bei übergewichtigen Personen führt das zu einer Reduktion des Gewichts und Körperfettanteils, während die fettfreie Körpermasse, also Muskeln und Co. unangetastet bleibt.

Eine Gewichtrsreduktion ist natürlich auf verschiedenen Wegen möglich. Manche Patienten reagieren besser auf fettreduzierte als kohlenhydratreduzierte Diät. Das kann, wie man heute weiß, genetische Ursachen haben.

Eine Studie untersuchte das mal genauer und verglich ketogene mit „ausgewogener“ kalorienreduzierter Normalkost, also in diesem Fall 30 g gegen 55 % Kohlenhydrate. Die ketogene Gruppe nahm im Durchschnitt 12 % ab, vereinzelte Exemplare sogar bis zu 40 %. Bei den Normalköstlern fand man während der Studie keine nennenswerte Gewichtsabnahme.

Bei ketogener Ernährung hat man im allgemein weniger mit unkontrollierten Hungerattacken zu kämpfen und die Wissenschaft tendiert dazu, zu glauben, dass ketogene Ernährung eine sehr effektive Maßnahme gegen Fettleibigkeit ist.

Noch ein Vorteil von ketogener Diät: schützt vor dem Jo-Jo-Effekt. Normalerweise sinkt bei einer Diät der Grundumsatz und nach der Diät steigt das Körpergewicht daher wieder an. Weil bei einer ketogenen Diät der fettfreie Körper aber nicht angegriffen wird, sinkt der Grundumsatz nicht und die adaptive Thermogenese, wie der Jo-Jo-Effekt auf wissenschaftlich heißt, entfällt.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Eine kohlenhydratreiche Ernährung, mit hohem glykämischen Index und hoher glykämischer Last birgt ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Und dabei scheint der Austausch von gesättigten Fetten gegen raffinierte Kohlenhydrate das Risiko noch zu steigern.

Studien haben gezeigt, dass gesättigte Fette in der Nahrung zwar das Cholesterin ansteigen lassen, aber die Triglyceride sinken. Das Verhältnis von TC/HDL ist ein wichtiger Biomarker für die Herz-Kreislauf-Gesundheit und es verbessert sich bei fettreicher Ernährung. Insgesamt verbessern sich die Blutfettwerte. Den komplett umgekehrten Effekt fand man bei kohlenhydratreicher Ernährung. Forschende empfehlen nun vorsichtig, einen Teil der Kohlenhydrate durch Fett zu ersetzen.

Krebs

Auch bei vielen Krebserkrankungen kann ketogene Ernährung helfen. Insulin und IGF1 binden an Rezeptoren auf der Zelloberfläche, die Signalwege in Gang setzen, die Zellteilung und Wachstum anregen.

Außerdem weiß man seit fast 100 Jahren, dass viele Tumore die Zellatmung einstellen und ihren Energiebedarf durch Fermentation decken. Vergären kann man aber nur Zucker. Fett muss veratmet werden. Bietet man solchen Krebszellen nur Fett als Energiequelle, kann man sie aushungern. Dieses Phänomen ist als Warburg – Effekt sein 1927 bekannt.

Wie reagiert das Mikrobiom?

Ketogene Ernährung scheint doch eine ziemlich gute Sache zu sein. Aber zerstört man dadurch am Ende unwiederbringlich sein Darm-Mikrobiom und ist für immer verloren? Ähnlich wie nach einer Antibiotikatherapie?

Mittlerweile weiß man ja, dass man bei allem was man tut ein bisschen an die Untermieter denken muss.

Ernährung ist ein ganz wichtiger Faktor und kann die Zusammensetzung der Darmbakterien massiv beeinflussen. Und natürlich finden Wissen schaffende Veränderungen im Darm-Mikrobiom. Das Problem ist allerdings, dass diese Veränderungen nicht konsistent sind. Es sieht ein bisschen so aus, als fände jede Studie andere Effekte, wobei man noch festhalten sollte, dass auch die exakten Bedingungen der Studien sich unterschieden. Deswegen sind die folgenden Feststellungen mit etwas Vorsicht zu betrachten.

Bei ketogener Ernährung nimmt die Artenvielfalt und auch Bakterienmasse im Darm zunächst ab. Das ist kein Wunder, schließlich setzt man die Bakterien auf Diät. Manche Studien zeigen, dass die Reduktion der Bakterienmasse nur vorübergehend ist und nach 12 Wochen eine Umkehr, nach 24 Wochen eine vollständige Regeneration der Darmbakterien stattfindet.

Völkerwanderung im ketogenen Mikrobiom

Man findet aber im ketogenen Mikrobiom vermehrt Akkermansia und Parabacteroides. Das ist gut. Akkermansia hat wohl mit Kohlenhydratmangel kein Problem, da sie sich ja ohnehin von der Mucosa ernährt und keine andere Nahrungsquelle benötigt.

Insgesamt findet man bei ketogener Ernährung eine Zunahme von Butyratbildnern, wenn auch manche Arten ab- und andere zunehmen.

Auch Bacteroides nimmt zu. Das macht Sinn, denn diese Bakterien können sich von der Mucosa ernähren, wenn andere Quellen fehlen, können aber auch effektiv Proteine bzw. Aminosäuren fermentieren, und die kommen bei ketogener Ernährung wohl etwas häufiger vor. Bacteroides gehört zu den Kommensalen im Darm und sein reichliches Vorkommen ist ein Zeichen für eine gute Darmgesundheit.

Bifidobakterien nehmen ab. Die werden allgemein als sehr positiv angesehen. Aber sie können auch Entzündungen fördern und deswegen vermutet man, dass der entzündungshemmende Effekt, den ketogene Ernährung mit sich bringt, auf ihr Verschwinden zurückzuführen ist.

Warum sollte man ketogene Ernährung trotzdem meiden?

Die reduzierte Zufuhr von Kohlenhydraten soll ein Problem sein, denn damit ist fast untrennbar ein Mangel an Ballaststoffen verbunden, findet man. Durch die erhöhte Proteinzufuhr sollen sich dagegen Fäulniserrreger vermehren.

Experten vermissen Langzeitstudien. Kann sein. Die einzige mir bekannte fand in der Altsteinzeit statt. Damals war ketogene Ernährung wahrscheinlich normal. Und als die Menschen Kohlenhydrate in ihre Nahrung aufnahmen und sich überwiegend davon ernährten, tat ihnen das gar nicht gut: Die Lebenserwartung nahm ab, die Kindersterblichkeit zu. Die Menschen wurden wieder kleiner und auch das Gehirnvolumen nahm wieder ab.

Wie soll Keto Ernährung aussehen?

Ketogene Diät – im Sinne von Ernährungsform – bedeute nicht, einfach unkontrolliert Fett und Eiweiß in sich hinein zu stopfen. Man sollte schon auf die Qualität der Nahrungsmittel achten. Ein ketogener Ernährungsplan soll dabei helfen. Diese groben Empfehlungen beziehen sich auf eine VLCKD:

Bei der Auswahl der Fette sollte man auf die richtige Menge und vor allem Qualität achten. Die Zufuhr von ausreichend essenziellen Fettsäuren ist wichtig. Vor allem Omega-3-Fettsäuren sind wichtig und sollten vermehrt gegessen werden.

Präbiotika, also Ballaststoffe, sind wichtig. Sie sind in Gemüse ebenso enthalten wie in Vollkorngetreide, also kann man einen Mangel leicht vermeiden.

Probiotika zur Unterstützung des eigenen Darm- Mikrobioms sind auch eine gute Wahl. Sie sind auch reichlich in fermentierten Nahrungsmitteln, wie Joghurt oder Sauerkraut enthalten.

Bei der Auswahl der Proteine sollte man tierisches lieber meiden und auf pflanzliches zurückgreifen. Die Autoren empfehlen Erbsen- oder Molkenprotein, wobei Molke natürlich eine tierische Proteinquelle ist (Ich glaube es geht um Carnitin, das in Fleisch enthalten ist. Es ist zwar ein effektiver Fatburner, aber die Darmbakterien basteln daraus irgendwas Doofes. Deswegen gilt tierisches Protein als ungesund.)

Auch Süßstoff mögen unsere Symbionten nicht. Sie werden dann fuchsteufelswild und versuchen, sich durch die Darmwand zu bohren. Und sie sind nur friedlich, solange sie draußen sind. Außerdem fangen sie dann an, genetisches Material untereinander auszutauschen, und da sind auch Antibiotikaresistenzen dabei. Auch nicht gut.

Und natürlich soll man auch verarbeitete, industrielle Lebensmittel meiden.

Andere Autoren beschreiben ein ketogenes Menü für den Dauergebrauch, das natürlicher daherkommt und einfacher umzusetzen ist: Fetter Fisch, Nüsse, Freilandeier, Oliven- und Rapsöl als gute Quellen für Fett, Fleisch, Käse, Fisch und Eier als Proteinquellen. Im Idealfall in Bioqualität. Tierische Produkte unterscheiden sich je nach Haltungsform deutlich in ihrem Fettsäureprofil und Bio ist besser als konventionelle Haltung. Kohlenhydrate werden unbemerkt mit grünem Gemüse (gerne auch rotem, gelbem oder orangenem, aber jedenfalls low carb) untergeschoben. ) Das war’s.

Ketogene Ernährung passt auch den Darmbakterien
Ketogene Ernährung passt auch den Darmbakterien / Bild von -Rita-👩‍🍳 und 📷 mit ❤ auf Pixabay

Hinweis:

Auch wenn es hier etwas medizinisch zugeht, ist das natürlich keine medizinische Beratung. Hier geht es allein um den Zauber der Wissenschaft.

Quellen:

Dowis, Kathryn, and Simran Banga. “The Potential Health Benefits of the Ketogenic Diet: A Narrative Review.” Nutrients vol. 13,5 1654. 13 May. 2021, doi:10.3390/nu13051654

Ludwig, David S. “The Ketogenic Diet: Evidence for Optimism but High-Quality Research Needed.” The Journal of nutrition vol. 150,6 (2020): 1354-1359. doi:10.1093/jn/nxz308

Paoli, Antonio et al. “Ketogenic Diet and Microbiota: Friends or Enemies?.” Genes vol. 10,7 534. 15 Jul. 2019, doi:10.3390/genes10070534

Attaye, Ilias et al. “The Role of the Gut Microbiota on the Beneficial Effects of Ketogenic Diets.” Nutrients vol. 14,1 191. 31 Dec. 2021, doi:10.3390/nu14010191

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