Sitzen ist das neue Rauchen. Sport ist gesund. Und bei allem, was gesund oder krank macht, haben zurzeit die Darmbakterien ihre Finger im Spiel. Es gibt mittlerweile viele Studien, die belegen, dass Darmbakterien Sport ziemlich mögen.
Sport verhindert, verzögert oder heilt verschiedene Stoffwechselstörungen, Übergewicht, Diabetes, Herz-Kreislaufprobleme oder Depressionen. Und bei genau diesen Erkrankungen vermutet man auch, dass die Darmbakterien einen großen Einfluss auf den Verlauf haben.
Wie sieht es nun aus? Was passiert mit den Darmbakterien, wenn wir regelmäßig und wohldosiert Sport treiben? Werden sie seekrank oder lieben sie die Fahrt in der Achterbahn? Ein aktueller Übersichtsartikel lüftet das Geheimnis.
Die Autoren schlossen über 500 Arbeiten, deren Qualität und Aussagekraft sie gründlich überprüften, in ihren Übersichtsartikel ein. Dieser fasste den Einfluss von jeglicher sportlichen Aktivität auf die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms ein. Die Testpersonen waren erwachsen, Sportler oder inaktiv, normal- oder übergewichtig, männlich oder weiblich. Ein Rundumpaket an Testpersonen. Wer hier Effekte findet, sitzt wahrscheinlich keinen Artefakten auf.
Die sind in der Mikrobiomforschung ein großes Problem dar, weil es unendlich viele Stellschrauben gibt, die es fast unmöglich machen, vergleichbare Versuchsbedingungen zu schaffen. Dementsprechend oft sind die Ergebnisse widersprüchlich.
Wenn Darmbakterien Sport treiben…
kann sich die Zusammensetzung ihrer Gesellschaft verändern. Und wenn man es nicht übertreibt, geschieht das durchaus zum Positiven. Nur bei zu starker Trainingsbelastung kann auch eine ungünstige Dysbiose entstehen, die mit erhöhten Entzündungsmarkern einhergeht. Bei wohldosierter Aktivität beobachtet man bei bestimmten, willkommenen Gruppen von Bakterien deutliche Veränderungen.
…steigt das F/B Verhältnis
In acht von zehn Studien nehmen Bacteroidetes ab, während Firmicutes zunehmen. Das Verhältnis dieser beiden Bakterienstämme zueinander, das F/B Verhältnis, steigt dadurch. In der Vergangenheit sah man das F/B Verhältnis als Marker für eine gute Darmgesundheit an. Je mehr Bacteroidetes, desto besser, glaubte man. Mittlerweile sehen Experten das nicht mehr so eng und bezweifeln, dass ein hohes F/B Verhältnis tatsächlich ein Indikator für Übergewicht und Stoffwechselstörungen ist.
Tatsächlich assoziiert man heute hohe Bacteroides – Zahlen im Darm mit westlicher, fettreicher Ernährung und inaktiver, bewegungsarmer Lebensweise. Viele der hoch angesehenen Darmbakterien gehören zum Stamm der Firmicutes.
…nehmen kurzkettige Fettsäuren zu
Da sind vor allem die Produzenten kurzkettiger Fettsäuren. Sie vermehren sich im Darm sportlich aktiver Menschen. Die haben dann auch mehr kurzkettige Fettsäuren zur Verfügung. Das ist gut, denn die stärken die Darmbarriere und einen löchrigen Darm wünscht sich niemand. Häufig beobachtet man Ruminococcus gauvreauii, Anaerostipes und eine bisher nicht kultivierte Gattung aus der Familie der Lachnospiraceae. Gleichzeitig verbessert sich auch die Insulinsensitivität und Herzgesundheit der Sportfreunde.
Auch Bifidobakterien nahmen bei den Sportlern zu. Die führen eine besondere Milchsäuregärung durch, bei der auch nennenswerte Mengen Acetat entstehen. Das ist auch eine kurzkettige Fettsäure, auch wenn wir sie eher aus Essig kennen.
Auch Roseburia und Akkermansia nehmen zu. Sie produzieren Butyrat und begleiten eine Verbesserung der Darmgesundheit, des Fettstoffwechsels und des Immunsystems.
Noch mehr Populationsdynamik
Außerdem zeigten Anaerostipes, Lactococcus, Coprococcus, Dorea, Lactobacillus und Romboutsia einen prozentualen Anteil an der Darmflora.
Bacteroides, Parabacteroides und Streptococcus nehmen bei sportlich aktiven Individuen dagegen ab.
Sport hilft nicht immer gleich gut
Der Effekt, den Sport auf die Darmbakterien ausübt, ist nicht bei allen Bevölkerungsgruppen gleich ausgeprägt. Wie es scheint, profitieren Frauen mehr vom Training. Und auch älteren Menschen bringt sportliche Aktivität einen größeren Nutzen. Der BMI scheint bei umfassender Betrachtung allerdings keinen Einfluss auf die sportbedingten Veränderungen des Darm – Mikrobioms zu haben. Man liest auch oft das Gegenteil. Jedenfalls verlieren die Autoren des Übersichtsartikels kein Wort darüber, obwohl sie ausdrücklich erwähnen, dass auch übergewichtige Teilnehmer in die Studien einbezogen waren.
Quelle:
Min, Leizi et al. “Effects of Exercise on Gut Microbiota of Adults: A Systematic Review and Meta-Analysis.” Nutrients vol. 16,7 1070. 5 Apr. 2024, doi:10.3390/nu16071070