Juni 6, 2025

Bakterielle Metabolite – aus dem Chemiekasten der Darmbakterien

Bakterielle Metabolite kommunizieren mit dem Wirt

Der Stoffwechsel der Darmbakterien produziert verschiedene bakterielle Metabolite, die zur Verständigung mit dem Wirt dienen und Signalwege aktivieren oder hemmen können. Sie sind chemische Botenstoffe, die den Wirt dahingehend bewegen, sich gegenüber dem Darm-Mikrobiom tolerant oder abwehrend zu verhalten. Wer sich da herumtreibt, aber vor allem, was er ausscheidet, ist also enorm wichtig für uns.

Als erste bakterielle Metabolite kommen uns sicher kurzkettige Fettsäuren in den Sinn, wenn wir an bakterielle Metabolite denken. Aber da ist noch viel mehr. Und einiges würden wir vielleicht zunächst eher skeptisch beäugen. Sekundäre Gallensäuren zum Beispiel. Und auch Indol, ein Abbauprodukt von Tryptophan, hat keine Freunde. Aber – wie gesagt: Da ist noch mehr.

Kurzkettige Fettsäuren (SCFAs)

Das sind in erster Linie Acetat, Propionat und Butyrat. Sie entstehen bei der bakteriellen Fermentation von Ballaststoffen und gehören zu den häufigsten Metaboliten.

Kurzkettige Fettsäuren beteiligen sich auf verschiedenen Wegen an der Kommunikation zwischen Wirt und Mikrobiom.

  • Sie dienen als Kohlenstoffquelle, aus der der Wirt seinen eigenen Moleküle herstellen kann.
  • Sie binden als Liganden an G-Protein gekoppelte Rezeptoren. Das sind Rezeptorproteine auf der Zelloberfläche, die im Inneren besondere Signalwege in Gang setzten.
  • Außerdem hemmen sie bestimmte Enzyme, die Histon-Deacetylkasen (HDACs). Die wiederum regeln die Verfügbarkeit von Genen. So haben SCFAs Einfluss auf die Aktivität von Genen.

Und was kommt dabei heraus?

Über G-Protein gekoppelte Rezeptoren modulieren SCFAs pro- und antientzündliche Reaktionen des Immunsystems, indem sie bestimmte Zelltypen aktivieren, andere hemmen. Das sind zum Beispiel sogenannte FOXP3+CD4+ Tregs. Sie werden von SCFAs aus der Produktion von verschiedenen Angehörigen der Gattung Clostridium bearbeitet und regulieren entzündliche Reaktionen herunter. Auch Bacteroides thetaiotaomicron leistet hier seinen Beitrag, indem er Butyrat und Propionat abgibt.

Außerdem stärken SCFAs die Darmbarriere, nicht nur, indem sie die Darmepithelzellen mit Energie versorgen, sondern auch über HDAC-Hemmung und GPCR-Aktivierung, also auf genetischem und physiologischem Weg.

Und mit denselben Mitteln können sie auch die Symptome des Metabolischen Syndroms lindern

So wie sie die Darmbarriere stärken, indem sie die Produktion der Tight Junction Proteine steigern, stärken sie auch die Blut-Hirn-Schranke, die ja ganz ähnliche Funktionen am anderen Ende der Darm-Mikrobiom-Hirn-Achse erfüllt.

SCFAs tragen auch zur Kolonisationsresistenz bei. Das beschreibt die Tatsache, dass Pathogene es schwer haben, im Darm zu siedeln, wenn schon kommensale SCFA-Produzenten anwesend sind. Einerseits hemmen die SCFAs Pathogene direkt, sozusagen durch Körperkontakt, andererseits schaffen sie ein Milieu, in dem diese nicht mehr gut gedeihen. Mangelt es im Darm an kommensalrn SCFAs-Bildnern, haben pathogene Enterobakterien, wie Salmonella typhimurium, es leicht.

Indol-3-Milchsäure & Co.

Beim Abbau von Tryptophan, einer Aminosäure aus Proteinen, entstehen mehrere Verbindungen, die einen sogenannten Indolring enthalten, mit dem verschiedene Seitengruppen verbunden sind.

Für diese bakteriellen Stoffwechselprodukte gibt es einen anderen Rezeptor, über den sie ihre Wirkung auf den Stoffwechsel des Wirtes ausüben. Der ArylHydrocarbon Rezeptor, AHR, ist ein sogenannter Transkriptionsfaktor. Das sind Proteine, die an den regulatorischen Bereich von Genen binden und sie damit aktivieren. Der AHR Rezeptor hat weitreichende Funktionen, unter anderem reguliert er die Immunität und wirkt entzündungshemmend. Für seine Aktivität benötigt er Liganden, die aus dem Tryptophanstoffwechsel stammen, zum Beispiel Indol-3-Milchsäure, die unter anderem von L. reuteri stammt.

Tryptophan-Metabolite stärken auch die Darmbarriere. Und sie schützen vor dem metabolischen Syndrom, weil AHR auch an der Regulation des Zuckerstoffwechsels beteiligt ist.

Tryptophan ist der Ausgangsstoff für das „Glückshormon“ Serotonin und das „Schlafhormon“ Melatonin. Zumindest Serotonin wird auch von den Darmbakterien produziert. Manche Quellen werden nicht müde zu versichern, dass über 90 % unseres Serotonins aus dem Darm stammt.

Sekundäre Gallensäuren

Gallensäuren kommen als primäre Gallensäuren in den Umlauf und werden nach getaner Arbeit zum Recycling über den enterohepatischen Kreislauf in die Leber zurückgebracht. Das geschieht im Dünndarm, aber ein kleiner Teil der Gallensäuren schafft es in den Dickdarm, wo die Darmbakterien Gelegenheit haben, sie zu sekundären Gallensäuren umzubauen. Diese sekundären Gallensäuren haben verschiedene Wirkungen.

Gallensäuren sind oft an andere Moleküle gebunden, zum Beispiel die Aminosäure Taurin. Wird die von den Darmbakterien abgespalten, steht dem Wirt mehr Taurin zur Verfügung. Taurin ist ein Antioxidans, schützt den Herzmuskel und hilft zahlreiche Organfunktionen aufrechtzuerhalten. Aber es aktiviert auch ein Inflammasom und fördert damit die Freisetzung entzündungsfördernder Zytokine.

Sekundäre Gallensäuren können auch karzinogen wirken und Krebs fördern, zum Beispiel in der Leber. Aber dieselben Verbindungen könne sich gleichzeitig positiv auf die Kolonisierungsresistenz auswirken und das Wachstum von C. difficile hemmen. Und obwohl sie Leberkrebs fördern können, stärken sie auch die Darmbarriere. Manchmal ist es echt nicht einfach, zwischen gut und böse zu unterscheiden.

Noch mehr bakterielle Metabolite

  • Polysaccharid A

Manche Bakterien besitzen eine Bakterienkapsel, aus einer Schleimschicht von Proteinen und Polysacchariden. Bacteroides fragilis ist ein solches Bakterium und Polysaccharid A eines seiner Polysaccharide. Die Kapsel schützt das Bakterium vor dem Immunsystem, das Polysaccharid regt aber auch den Wirt zur Produktion entzündungshemmender Interleukine an.

  • TMAO

TMAO (Trimethylamin-N-Oxid) ist ein bakterielles Metabolit, das aus TMA (Trimethylamin) gebildet wird. Es steht in Verdacht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu fördern und die Gerinnungseigenschaften des Blutes zu beeinflussen.

  • Pyruvat und Lactat

Pyruvat und Lactat sind Produkte der bakteriellen Fermentation. Sie veranlassen Immunzellen Ausläufer in den Darm auszustrecken und so Antigene zu „erschnüffeln“ und entsprechende Immunantworten auszulösen. So kann der Wirt sich vor Pathogenen, zum Beispiel Salmonella, schützen.

  • Succinat

Succinat ist das Endprodukt der anaeroben Fumaratatmung, wie sie Enterobakterien, wie Escherichia coli, nutzen. Fumarat selbst kommt im Darm nur in geringen Mengen vor, wohl aber andere sogenannte C4-Dicarboxylate, wie Malat oder Aspartat. Die werden als Substrat für die Fumaratatmung herangezogen und herauskommt Succinat. Für die Colis ist das Müll. Aber C. difficile, ein überaus ungern gesehener Darmbewohner, nutzt es als Substrat für sein Wachstum und macht daraus – ausgerechnet Butyrat. Das macht den Kohl aber wohl nicht mehr fett und C. difficile bleibt ein Bacterium non grata.

Verblüffend, wie manches nicht eindeutig als gut oder schlecht eingeordnet werden kann. Wie im richtigen Leben. 😉

Quelle:

Nicolas GR, Chang PV. Deciphering the Chemical Lexicon of Host-Gut Microbiota Interactions. Trends Pharmacol Sci. 2019 Jun;40(6):430-445. doi: 10.1016/j.tips.2019.04.006. Epub 2019 May 9. PMID: 31079848; PMCID: PMC6681900.

Bild von chiara tiberti auf Pixabay

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