April 18, 2025

Ballaststoffe oder Fermentiertes? Was hilft uns mehr?

Im Vergleich Ballaststoffe vs. Fermentiertes gibt es keinen Sieger

Wenn es darum geht, mit welcher Ernährung wir unseren Darmbakterien und uns selbst etwas Gutes tun können, kommen sehr schnell Ballaststoffe ins Spiel. Und Fermentiertes. Präbiotika und Probiotika. Präbiotika sind Nahrung für die Darmbakterien. Es handelt sich meist um Ballaststoffe. Aber auch pflanzliche Polyphenole können den Bakterien als Futter dienen. Probiotika dagegen sind Bakterien selbst. Viele davon sind in fermentiertem Gemüse oder Milchprodukten enthalten. Probiotische Lebensmittel haben oft selbst dann einen positiven Effekt, wenn sie gar keine lebenden Bakterien mehr enthalten. Macht sie das dann vielleicht am Ende zu Präbiotika? Und macht es einen Unterschied, ob wir Pro- oder Präbiotika essen?

Forschende aus Stanford haben diese Frage zufällig beantwortet. Eigentlich wollten sie wissen, ob es allgemeine Ernährungsempfehlungen gibt, die das Darm-Mikrobiom stärken und unsere Gesundheit fördern. Dazu verglichen den Effekt von Fermentiertem oder Ballaststoffen auf uns und unsere Darmbewohner. Und das Ergebnis war schon ziemlich überraschend.

Das „Ballaststoffe vs. Fermentiertes“ Experiment

Die Forschenden untersuchten Blut und Stuhlproben von Probanden, die über einen Zeitraum von zehn Wochen entweder reichlich Ballaststoffe oder Fermentiertes aßen. Im Stuhl wurde nicht nur die Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaft, sondern auch deren Metabolite bestimmt. Letzteres lässt Schlüsse auf die jeweilige Funktion des anwesenden Mikrobioms zu. Im Blut wurden verschiedene Zytokine und Zelltypen bestimmt, was Aufschluss über Aktivitäten des Immunsystems lieferte.

Die Ballaststoffgruppe steigerte den Verzehr von rund 20 auf etwa 45 Gramm pro Tag. Sie nahmen Ballaststoffe aus verschiedensten Quellen zu sich, wobei das Verhältnis von unlöslichen zu löslichen Ballaststoffen deutlich anstieg. Insgesamt verschob sich ihre Nährstoffaufnahme dahingehend, dass sie mehr Kohlenhydrate und pflanzliches Eiweiß sowie Mineralstoffe (Eisen, Magnesium, Kalium, Calcium) und Vitamin C zu sich nahmen. Dafür sank die Aufnahme von tierischem Eiweiß und Natrium. Auch der Kaloriengehalt der ballaststoffreichen Nahrung war etwas geringer.

Die Teilnehmer der Gruppe, die Fermentiertes auf dem Speiseplan hatte, steigerten ihren Verzehr von weniger als einer auf rund sechs Portionen Fermentiertes pro Tag. Weil Fermentiertes oft aus Milchprodukten hergestellt wird, stieg hier der Konsum von tierischem Eiweiß an. Und obwohl Fermentiertes in der Regel auch sehr viel Salz enthält, stieg die Aufnahme von Natrium trotzdem nicht.

Ballaststoffe vs. Fermentiertes: Die Ergebnisse

Fermentiertes steigert die Artenvielfalt im Darm

Eine geringe Artenvielfalt im Darm ist ein typisches Merkmal unserer verwestlichten Ernährungsweise. Sie wird auch als Ursache verschiedener gesundheitlicher Probleme angesehen, die mit dem westlichen Lebensstil einhergehen. Mit gezielten Ernährungsmaßnahmen hofft man oft, die Artenvielfalt im Darm zu erhöhen.

Durch den Verzehr von Fermentiertem konnten die Probanden die Artenvielfalt im Darm tatsächlich steigern, und zwar proportional zur Anzahl der verzehrten Portionen.

Mit der Ernährungsumstellung nahmen verschiedene Taxa zu. (Ein Taxon ist eine Gruppe von Lebewesen, die sich durch gemeinsame Merkmale von anderen Gruppen unterscheidet.) Alle gehörten zum Stamm der Firmicutes, genauer zu den Familien der Lachnospiraceae, Ruminococcaceae und Streptococcaceae.

Woher stammen diese Bakterien? Sind das Neusiedler, oder welche, die bisher ein Schattendasein unterhalb der Nachweisgrenze geführt haben? In der Tat gehört nur ein kleiner Teil der neuen Bakterien zu den typischen Vertretern aus Fermentiertem. Könnte noch sein, dass man mit den fermentierten Lebensmitteln nebenbei noch vermehrt Bakterien aufgenommen hat. Dafür gibt es aber eigentlich keinen Grund und dagegen spricht, dass sich neue Bakterien schwertun, sich anzusiedeln. Der Zuwachs ist mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit das Ergebnis von Umwälzungen in der residenten Bakteriengemeinschaft. Ist Fermentiertes also so etwas wie Superfood für Darmbakterien und lässt selbst die armseligsten Mauerblümchen aufleben? Vielleicht.

Fermentiertes lässt Entzündungsmarker sinken

Entzündungen im Körper, auch „stille“, bei denen man gar nicht weiß, woher sie kommen, äußern sich in erhöhten Konzentrationen von Zytokinen. Das sind kommunikative Proteine, die vom Immunsystem gebildet werden.

Durch den Verzehr von reichlich fermentierter Nahrung sank in dieser Studie der Spiegel Zytokine, darunter auch Interleukin 6, dem eine Schlüsselfunktion bei Entzündungsprozessen zukommt. (In der Ballaststoffgruppe blieben die Zytokinlevel unverändert.)

Ballaststoffe werfen die Produktion von Cazymes an

Unter dem Begriff Cazymes fasst man Enzyme zusammen, die Kohlenhydrate bearbeiten. Genau das sind Ballaststoffe: Kohlenhydrate, die wir nicht selbst abbauen können, weil wir ihre verzwickte Molekülstruktur nicht knacken können. Aber Bakterien können das und wenn viele Ballaststoffe angeschwemmt werden, greifen sie in ihre Werkzeugkiste.

Die Forschenden erwarteten eigentlich, dass Ballaststoffe die Artenvielfalt steigern sollten. Das taten sie nicht, die Ballaststoffe. Stattdessen fanden sie vermehrt bakterielle Proteine im Stuhl. Und das waren diese Cazymes, elf davon, die vermutlich dazu dienen, Zellwände abzubauen. (So genau weiß man das nicht und errät die Funktion nur anhand ihrer Aminosäuresequenz.) Das passte gut zur ballaststoffreichen Ernährung, die ja sehr pflanzenlastig war. (Bei den Fermentiertes-Essern nahmen Cazymes dagegen ab, und es waren auch durchweg andere betroffen, als in der Ballaststoffgruppe).

Die Forschergemeinde geht davon aus, dass Ballaststoffe zu kurzkettigen Fettsäuren, allen voran Butyrat, vergoren werden. Im Stuhl der Probanden fanden sie keine erhöhten Butyratvorkommen. Vermutlich – hoffentlich 😉 – war es schon vorher vom Darm resorbiert worden. Außerdem fanden sie vermehrt verwertbare Kohlenhydrate im Stuhl der Probanden. Es kann also auch sein, dass die Bakterien in dieser Studie die Ballaststoffe zwar zerlegt, aber nicht verwertet haben.

Ballaststoffreiche Ernährung stärkt das Immunsystem?

Nicht unbedingt. Die Forschenden untersuchten Entzündungsmarker im Blut der Probanden. Sie identifizierten drei Gruppen, die auf unterschiedliche Weise auf die erhöhte Ballaststoffzufuhr reagierten. Bei zwei Gruppen gingen die Entzündungsmarker zurück. Bei einer nicht. Hier wurde das Immunsystem aktiviert und bei dieser Gruppe war auch die Artenvielfalt im Darm geringer als bei den anderen beiden. Das könnte bedeuten, dass eine höhere Artenvielfalt Voraussetzung ist, um mit Ballaststoffen Entzündungen erfolgreich entgegenzuwirken. (Die Artenvielfalt ist bei den Ballaststoffessern während der Studie aber nicht gestiegen, ganz im Gegensatz zu den Fermentiertes-Essern.)

Im Mikrobiom der Gruppen, die auf Ballaststoffe nicht mit Entzündungen reagierten, gab es mehr Coprococcus, Ruminococcus, Oscillospira und Anaerostipes. Diese Bakterien gehören zu den „Guten“ und stehen für Gesundheitsmarker mit positiven Werten. Anaersotipes gilt als Super-Butyratproduzent.

Das sieht ein bisschen so aus, als gäbe es Bevölkerungsgruppen, denen der Verzehr von Ballaststoffen nicht uneingeschränkt zu empfehlen ist.

Fazit:

Ballaststoffe und Fermentiertes werden an erster Stelle empfohlen, wenn es darum geht, dem Darm und damit sich selbst etwas Gutes zu tun. Sie haben in der Ernährung aber sehr unterschiedliche Folgen. Da bleibt es spannend, zu erfahren, was passiert, wenn man beide Ernährungsformen kombiniert.

Quelle:

Wastyk HC, Fragiadakis GK, Perelman D, Dahan D, Merrill BD, Yu FB, Topf M, Gonzalez CG, Van Treuren W, Han S, Robinson JL, Elias JE, Sonnenburg ED, Gardner CD, Sonnenburg JL. Gut-microbiota-targeted diets modulate human immune status. Cell. 2021 Aug 5;184(16):4137-4153.e14. doi: 10.1016/j.cell.2021.06.019. Epub 2021 Jul 12. PMID: 34256014; PMCID: PMC9020749.

Image by edwina_mc from Pixabay

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