In unserem Darm-Mikrobiom dominieren vier Bakterienstämme und einer davon sind die Proteobakterien, wenn sie normalerweise mengenmäßig auch kaum ins Gewicht fallen. Wenn sie sich übermäßig vermehren, kann das allerdings schlimme Folgen haben.
Was sind Proteobakterien?
Proteobakterien sind tatsächlich der größte Stamm des Bakterienreiches. Und sie haben so viele Gesichter wie Proteus, der griechische Meeresgott und deswegen sind sie auch nach ihm benannt.
Nur so nebenbei: Der Stamm wird in sechs Klassen unterteilt, Alpha-, Beta-, Gamma-, Delta-, Epsilon- und Zetaproteobacteria und beherbergt viele gängige Krankheitserreger des Menschen. Beispielsweise gehören Brucella und Rickettsia zu den Alphaproteobakterien, Bordetella und Neisseria zu den Betaproteobakterien, Escherichia, Shigella, Salmonella, und Yersinia zu den Gammaproteobacteria und Helicobacter zu den Epsilobacteria.
Proteobakterien sind Gram-negativ, besitzen also eine doppelte Zellhülle. In der äußeren befindet sich ein Molekül namens Lipopolysaccharid und das ist wohl die Ursache dafür, dass diese Bakterien problematisch werden können.
Wann vermehren sich Proteobakterien?
Bei vielen Krankheiten beobachtet man gleichzeitig eine Dysbiose im Darm. Und Proteobakterien findet man gerne bei Stoffwechselstörungen wie dem metabolischen Syndrom. Auf dem Weg von gesundem Körpergewicht über Fettleibigkeit zur nichtalkoholischen Fettleber beobachteten Forschende eine allmähliche Zunahme von Enterobakterien, einer Familie der Gamma-Proteobakterien. Reduziert sich das Gewicht, nehmen auch die Enterobakterien übermäßig stark ab und erreichen ihr Ausgangsniveau.
Proteobakterien scheinen auch bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine Rolle zu spielen. Und sie beeinflussen vielleicht die Darm-Mikrobiota-Hirn-Achse. Bei fettreicher Ernährung vermehren sich Proteobakterien und gleichzeitig kommt es zu einer Neuorganisation der Neuronen des Vagusnervs, der die Regulation der Nahrungsaufnahme im Gehirn beeinflusst.
Wenn schon Entzündungen vorliegen, vermehren sich Proteobakterien gut. Dann beobachtet man oft, dass obligat anaerobe Bakterien abnehmen, während die fakultativ anaeroben sich vermehren. Daraus hat man die „Sauerstoff-Hypothese“ entwickelt.
Entzündungen lassen Proteobakterien blühen
Unter normalen physiologischen Bedingungen verbrauchen die Zellen des Darmepithels den Sauerstoff, der ihnen zur Verfügung steht und schaffen damit eine anaerobe, sauerstofffreie Umgebung.
Wenn aber eine Entzündung vorliegt, sinkt die Stoffwechselrate der Darmzellen und es reichert sich Sauerstoff im Darm an. Der ist für die dort ansässigen obligat anaeroben Bakterien tödlich. Fakultativ anaerobe Bakterien, wie die Proteobakterien, können ihn aber zur Atmung nutzen und haben davon sogar noch einen Wachstumsvorteil, selbst gegenüber aerotoleranten Bakterien, die Sauerstoff zwar nicht nutzen können, der sie aber wenigstens nicht tötet. Milchsäurebakterien zum Beispiel.
Außerdem produziert das entzündete Gewebe Nitrat. Das liegt daran, dass die Synthese von NO, Stickstoffmonoxid, einem Botenstoff, gestört wird. Das passiert, wenn im Darm zu wenige Butyratbildner anwesend sind, weil sie von den Proteobakterien verdrängt wurden. Butyrat aktiviert einen Genregulator, der die Synthese von NO fördert. Stattdessen entsteht dann Nitrat. Und Nitrat taugt den Proteobakterien ebenfalls zur Atmung und sie vermehren sich noch mehr. Ein Teufelskreis.
Und warum ist das so schlimm?
Das hängt mit dem LPS zusammen. LPS ist für die Bakterien ein normaler Bestandteil ihrer Zellhülle. Alle Gram-negativen Bakterien haben das. LPS ist ein Endotoxin, das das Immunsystem des Wirts aktiviert. Über sogenannte Toll Like Rezeptoren (TLR). Es gibt sogar einen eigenen für LPS.
LPS führt zur Ausschüttung entzündungsfördernder Zytokine. Das feuert die Entzündung weiter an, überall im Körper. LPS schwächt auch die Darmbarriere und macht sich den Weg frei ins Blut, um überall Entzündungen zu fördern. LPS scheint bei vielen Krankheiten seine Finger im Spiel zu haben. Die Forschung ist in vollem Gang. LPS und Proteobakterien kleinzuhalten, kann unter Umständen sehr wichtig sein.
LPS ist nicht gleich LPS
LPS ist eine Stoffklasse, wie etwa Polysaccharid oder Fett. In diesem Fall sind es Fette und Polysaccharide, die miteinander verknüpft sind und der Bakterienzelle Stabilität verleihen. Alle Gram-negativen Bakterien haben LPS, aber die Moleküle unterscheiden sich im Detail. Und das LPS der Proteobakterien ist besonders aggressiv und entzündungsfördernd. Deshalb ist es sehr sinnvoll, die Zahl der Proteobakterien im Darm gering zu halten.
Wie kann man die Belastung reduzieren?
LPS im Blut wird von der Leber abgebaut. Ein Teil wird mit Gallensäuren ausgeschieden, ein Teil wird enzymatisch inaktiviert. Eine fitte Leber ist daher sehr hilfreich.
Ein anderer Ansatz ist, die Proteobakterien gar nicht erst blühen zu lassen oder sie wieder auszudünnen, wenn sie schon da sind. Proteobakterien mögen es nicht sauer. Lactobacillus oder Bifidobakterien helfen, den pH ins Saure zu verschieben.
Ballaststoffe fördern Butyratbildner und Butyrat durchbricht den Teufelskreis der Vermehrung der Proteobakterien. Insgesamt schient eine Ernährung mit wenig Fett, aber viel Ballaststoffen, Polyphenolen und Präbiotika den meisten Proteobakterien nicht zu schmecken.
Quellen:
Rizzatti, G et al. “Proteobacteria: A Common Factor in Human Diseases.” BioMed research international vol. 2017 (2017): 9351507. doi:10.1155/2017/9351507
Polland, Dr. Carly: Managing Proteobacteria Overgrowth
In: biomesight.com/blog, 22 Dez. 2022.
Online-Publikation:https://biomesight.com/blog/managing-proteobacteria-overgrowth Abrufdatum: 13.03.2024
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