Mai 4, 2024

Das Mikrobiom der Koalas: Echte Spezialisten

Im MIkrobiom der Koalas sind echte Spezialisten am Werk

Im Darm-Mikrobiom der Koalas scheinen echte Spezialisten am Werk zu sein. Koalas leben in den Eukalyptuswäldern Australiens und sind extreme Nahrungsspezialisten. Sie ernähren sich hauptsächlich von den Blättern des Eukalyptus, und von dieser Gattung gibt es hunderte verschiedenen Arten. Die unterschieden sich zum Teil erheblich in den sekundären Pflanzenstoffen, die sie produzieren. Und die sind zum Teil giftig, weil die Eukalyptusbäume sich damit vor Fraßfeinden schützen wollen.

In einigen Regionen Australiens gibt es so viele Koalas, dass sie ganze Wälder kahlfressen, während sie in anderen Regionen sehr selten vorkommen. Was liegt da näher, als ein paar Koalas aus Ballungsgebieten in weniger belastete Regionen umzusiedeln, dachten einige Forschende und damit fingen die Probleme an.

Koalas sind zum Teil wohl so sehr auf eine bestimmte Eykalyptusart als Nahrungsquelle angewiesen, dass sie lieber (ver)hungern, als sich bei einer fremden Art zu bedienen.

Im Umfeld einer solchen Umsiedlungsaktion untersuchten Forschende die Mikrobiome der betroffenen Tiere. Die meisten von ihnen ernährten sich von E. viminalis, einer bei Koalas beliebten Eukalyptusart, die sich durch einen besser verwertbaren Stickstoffgehalt auszeichnet. Eine kleinere Population ernährte sich vom E. obliqua, mit schlechteren Nährwerten.

Das Mikrobiom der Koalas

Es stellte sich heraus, dass im Mikrobiom der Koalas, die sich von E. viminalis ernährten, Bakterien der Gattung Parabacteroides dominierten, am Tisch von E. obliqua fand man dagegen vornehmlich Angehörige einer bisher unbekannten Art von Ruminokokken.

Parabacteroides ist eher auf den Abbau von Oligosacchariden, Xylan und Chitin spezialisiert, während die Ruminokokken gut für den Abbau von schwer zugänglichen Cellulosen geeignet sind.

Außerdem beherbergen Koalas grundsätzlich relativ viele Cyanobakterien, nämlich bis zu 30 %. Cyanobakterien oder auch Blaualgen sind die Vorläufer der Chloroplasten der grünen Pflanzen.

Dagegen kommen Proteobakterien nur in geringen Mengen von etwa 1 % vor. Bei anderen Säugern machen sie bis zu 6 % aus.

Synergistes gibt es im Mikrobiom der Koalas. Das ist ein Bakterium, das Aminosäuren fermentiert. Besonders ist, dass es darauf spezialisiert, die toxische Aminosäure Mimosin abzubauen. In Wiederkäuern schützen diese Bakterien vor Vergiftungen. Und schließlich produziert auch Eukalyptus etliche für seine Fraßfeinde bedenkliche Substanzen.

Muribaculaceae, früher schnöde als S24-7 bekannt, gehören zu den Bacteroidales und kommen reichlich bei in Gefangenschaft lebenden Koalas vor. Sie können dort bis zu zehn Prozent der Darmbakterien ausmachen und stehen wohl mit der Nahrungsspezialisierung auf Eukalyptus in Zusammenhang.

Das Mikrobiom der Koalas entscheidet über die Ernährung

Kommen wir zurück zu den umgesiedelten Koalas. Die Forschenden fanden heraus, dass der Ortswechsel das Darm-Mikrobiom der Koalas unverändert ließ. Allerdings änderten die Koalas ihre Essgewohnheiten unverzüglich nach dem Ortswechsel.

Wenn sie sich vor dem Umzug mit dem leckeren E. viminalis verköstigten, nahmen sie nach dem Ortswechsel auch andere Eukalyptusarten als Nahrung an. Wofür genau sie sich im neuen Lebensraum entschieden, darüber entschied das Mikrobiom, das sie vor dem Ortswechsel beherbergt hatten.

Stuhltransplantation erschließt neue Nahrungsquellen

Insgesamt sind Koalas aber oft recht „stur“ und verweigern andere als die gewohnte Nahrung. Es ist ja allgemein bekannt, dass die Ernährung die Zusammensetzung des Mikrobioms verändern kann. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass das Mikrobiom sehr artenreich ist und viele Arten einfach ein Schattendasein fristen und auf ihre Chance warten.

Das Mikrobiom von Nahrungsspezialisten arbeitet allerdings oft sehr effizient und ermöglicht seinem Wirt ganz gezielt, bestimmte Nahrungsquellen zu nutzen.

Forschende führten eine Stuhltransplantation an Koalas durch. Einer Gruppe von Koalas, die zuvor von E. viminalis gelebt hatten, wurde Darmbakterien aus E. obliqua und einer anderen Gruppe, zur Kontrolle, Darmbakterien aus E. viminalis verabreicht.

Den Koalas wurde bevorzugt E. obliqua angeboten.

Würde das Mikrobiom der Koalas direkt mit der neuen Nahrungsquelle klarkommen?

Würde die Stuhltransplantation dabei irgendwie helfen?

Oder würden, wie man schon vorher beobachtet hatte, die Koalas den Verzehrempfehlungen ihres Darm-Mikrobioms folgen?

Vor der Stuhltransplantation fraßen die Koalas der Experimentalgruppe immer weniger E. obliqua. Nach der Transplantation nahm der Anteil an E. obliqua in der Nahrung stetig zu. Gleichzeitig änderte sich die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms und ähnelte zunehmend dem, der Koalas, die sowieso schon immer E. obliqua gegessen hatten. Sobald sich das Mikrobiom nicht mehr veränderte, änderten die Koalas auch nicht mehr ihre Essgewohnheiten.

Was sagt uns das?

Wir sind ja mit dem Gedanken vertraut, dass die Ernährung das Mikrobiom formt. Bei den Koalas ist es umgekehrt und das Mikrobiom bestimmt, was sich als Nahrung eignet.

Das Koala-Mikrobiom reagiert nur schwach auf veränderte Nahrungsquellen. Kein Wunder. Wenn bestimmte Bakterien nicht da sind, können sie sich auch nicht vermehren. Die benötigten Bakterien wurden wohl erst mit der Stuhltransplantation eingeführt. Mit der für die Koalas neuen, für die Bakterien altbekannten Nahrung konnten sie sich vermehren und stabil im Darm etablieren. Und den Koalas ermöglichte das, von nun an E. obliqua als Nahrungsquelle zu nutzen.

Als Probiotikum allein konnten sich die fremden Darmbakterien nicht dauerhaft ansiedeln. Erst in Form eines Synbiotikums, zusammen mit der für sie benötigten Nahrung, ist das gelungen.

Und wenn sie nicht gestorben sind… 😉

Quellen:

Brice, Kylie L et al. “The Koala (Phascolarctos cinereus) faecal microbiome differs with diet in a wild population.” PeerJ vol. 7 e6534. 1 Apr. 2019, doi:10.7717/peerj.6534

Blyton, Michaela D J et al. “The koala gut microbiome is largely unaffected by host translocation but rather influences host diet.” Frontiers in microbiology vol. 14 1085090. 2 Mar. 2023, doi:10.3389/fmicb.2023.1085090

Blyton, Michaela D J et al. “Faecal inoculations alter the gastrointestinal microbiome and allow dietary expansion in a wild specialist herbivore, the koala.” Animal microbiome vol. 1,1 6. 21 Aug. 2019, doi:10.1186/s42523-019-0008-0

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert