März 12, 2025

Proteinfermentation – das zweite Standbein der Darmbakterien

Proteinfermentation wird durch reichlichen Fleishckonsum gefördert

Proteine sind unser Leben. Alles, was im Körper aktiv Arbeit verrichtet, besteht aus Eiweiß: Muskeln, Enzyme, Strukturproteine, Immunsystem. Ohne Eiweiß geht gar nix. Deswegen ist es wichtig, genug davon in den Speiseplan einzubauen. Aber bitte auch nicht zu viel, denn sonst starten die Darmbakterien ihre Proteinfermentation und was dabei herauskommt, ist oft gut, manchmal aber auch nicht.

Proteinfermentation vermeiden

Nahrungsproteine gehören uns. Im sauren Milieu des Magens entfalten sich die Aminosäureketten der Proteine und werden für die Enzyme im Dünndarm zugänglich. Dort sind Proteasen aktiv, Protein abbauende Verdauungsenzyme. Sie spalten die Aminosäureketten an bestimmten, für jedes Enzym charakteristischen Signalsequenzen. Das Ergebnis sind kurze Peptide von zwei bis sechs Aminosäuren. Die werden dann im Dünndarm aufgenommen und von uns verstoffwechselt. Alles schaffen wir aber nicht weg. Ein paar Gramm Protein erreichen trotzdem jeden Tag den Dickdarm.

Wie kommen Darmbakterien an Proteine?

Proteine sind für die Darmbakterien eine wichtige Stickstoff- und Energiequelle. Die meisten Darmbewohner bevorzugen wohl Ballaststoffe zur Energiegewinnung, aber wenn die knapp werden, greifen sie auf Proteine zurück. Im Darm gibt es endogene Proteine, die dort entstehen und von dort anwesenden Bakterien oder dem Wirt gebildet werden. Und natürlich gelangen sie mit der Nahrung in den Darm. Eigentlich sollen sie im Dünndarm vollkommen absorbiert werden. Aber das Gewebe hat nur eine beschränkte Stoffwechselkapazität. Wenn zu viel Protein kommt, gelangt ein Teil davon in den Dickdarm. Schätzungsweise 12–18 g Protein gelangen täglich in den Dickdarm.

Proteine sind auch unterschiedlich gut verdaulich. Das kommt auf ihre Aminosäuresequenz an. Wenn es dort keine Schnittstellen für die proteolytischen Enzyme gibt, bleiben große Fragmente übrig, die im Dünndarm nicht aufgenommen werden.

Und auch die Umgebung spielt eine Rolle. In einer Matrix aus Ballaststoffen sind sie den abbauenden Enzymen weniger zugänglich, werden nicht bearbeitet und gelangen als Futter für die Bakterien in den Dickdarm. So wie Ballaststoffe leicht verdauliche Kohlenhydrate maskieren und damit vor dem Abbau schützen, was gut ist, schützen sie auch Proteine und ermöglichen ihnen den Transfer in den Dickdarm. Das ist weniger gut.

Das erinnert ein wenig an die Trennkost von William Howard Hay. Er meinte, dass man Eiweiß und Kohlenhydrate nicht gleichzeitig verzehren sollte. Angeblich, weil diese Nährstoffe verschiedenartige Verdauungssäfte benötigen, die sich gegenseitig hemmen sollen. Diese Hypothese gilt als widerlegt. Aber vor dem Aspekt der durch Ballaststoffe gehemmten Proteinverdauung macht diese Trennkost durchaus Sinn. Denn wir brauchen unsere Nahrungsproteine selbst. Was unsere Darmbakterien dagegen damit anstellen, ist unter Umständen nicht so gut für uns. Allerdings sind hier noch viele Fragen offen.

Proteinfermentation: Was machen Darmbakterien mit Proteinen?

Unverdaute Proteine, die den Dickdarm erreichen, werden von den Darmbakterien proteolytisch gespalten. Diese Enzyme arbeiten übrigens bei neutralem pH. Deswegen sind sie in ihrer Aktivität gehemmt, wenn gleichzeitig Kohlenhydrate, also Ballaststoffe, zu organischen Säuren vergoren werden. Anschließend werden die daraus gewonnenen Aminosäuren zu vielen verschiedenen Stoffwechselprodukten verarbeitet.

Nicht alle Aminosäuren eignen sich gleichermaßen für die Proteinfermentation.

Am beliebtesten sind Glutamat, Arginin, Glycin, Serin, Phenylalanin und Tyrosin, aber Tryptophan, Aspartat und Alanin gehen auch. Allerdings heiß es auch, dass alle 20 Aminosäuren bei der Proteinfermentation zu kurzkettigen Fettsäuren verarbeitet werden können. Ja, tatsächlich. Dann müssen die übrigen 11 wohl auch verwertet werden können.

Der Abbau der Aminosäuren beginnt oft mit einer Deaminierung, bei der die Aminogruppe abgespalten wird. Übrig bleiben eine sogenannte Ketosäure und Ammonium.

Ammonium ist im Darm eine wertvolle Stickstoffquelle und wird von den Bakterien gerne recycelt.

Die Ketosäuren werden zu verschiedenen organischen Säuren, darunter auch die begehrten kurzkettigen Fettsäuren, abgebaut.

Eine andere Möglichkeit, die Proteinfermentation einzuleiten, ist die Stickland-Reaktion. Bei ihr werden zwei Aminosäuren gemeinsam vergoren, eine wird oxidiert (gibt Elektronen ab), die andere reduziert (nimmt Elektronen auf) und dabei entsteht das energiereiche ATP.

Produkte der Proteinfermentation

Bei der Proteinfermentation entstehen verschiedene Produkte. Dabei ist es nicht einfach zu unterscheiden, ob sie vom Wirt oder den Darmbakterien stammen.

Wie bereits erwähnt, entstehen kurzkettige Fettsäuren und Ammonium. Allerdings ist der Ertrag an Butyrat und Acetat geringer als bei der Fermentation von Kohlenhydraten.

Ammonium kann die Darmwand durchdringen und gelangt in großen Mengen in unseren Körper. Für uns ist es in Nervengift und kann die Funktion bestimmter Synapsen, den Verbindungsstellen zwischen Nervenzellen, stören. Außerdem scheint es die Verbrennung von Butyrat in den Mitochondrien der Darmepithelzellen zu behindern.

Aus den verzweigtkettigen Aminosäuren Valin, Leucin und Isoleucin, entstehen verzweigtkettige Fettsäuren. Sie dienen als Indikator dafür, ob Proteinfermentation stattfindet oder nicht. Vielleicht können sie auch, wenn Butyrat knapp wird, dessen Funktion als Energielieferant für die Zellen des Darmepithels ersetzen.

Außerdem entstehen durch Decarboxylierung, dem Abspalten der Säuregruppe, biogene Amine.

Aus schwefelhaltigen Aminosäuren kann Schwefelwasserstoff freigesetzt werden, aus aromatischen Aminosäuren Phenole, Indole, Imidazol.

Viele dieser Stoffwechselprodukte sind bioaktiv und an Signalwegen beteiligt.

Viele verschiedene Mikroben sind daran beteiligt

Nicht alle Darmbakterien könne alle Aminosäuren verwerten. Sie teilen die Beute gleichmäßig unter sich auf. Na ja, ein bisschen gleichmäßig.

Proteobakterien besitzen den größten Werkzeugkasten zur Proteinfermentation. Das ist schade, denn sie sind problematische Darmbewohner. Enterobacter und Escherichia, die zu diesem Stamm gehören, verwerten besonders gerne aromatische Aminosäuren, zum Beispiel Tryptophan. Auch Propionibacterium und Peptostreptococcus, zwei von den „Guten“, mögen Tryptophan und auch Glutamat. Clostridium macht sich über Prolin und Lysin her. Fusobacterium nucleatum fermentiert Cystein und produziert Butyrat (gut) und Schwefelwasserstoff und Ammonium (nicht so gut). Aber ziemlich sicher sind das lange noch nicht alle Bakterien, die an der Proteinfermentation beteiligt sind.

Können wir die Proteinfermentation beeinflussen?

Ob und wie viel Proteinfermentation im Darm stattfindet, hängt von vielen Faktoren ab. Und natürlich auch von wem sie durchgeführt wird. Ist überhaupt unverdautes Protein in den Dickdarm gelangt? Falls dort aber gerade viele Ballaststoffe fermentiert werden, ist der pH niedrig und hemmt die Proteasen. Die spalten das Protein, wenn sie können. Aber im sauren Milieu sind sie gehemmt. Sie arbeiten bei neutralem pH.

Die Proteinquelle hat auch einen großen Einfluss auf die Zusammensetzung der Darmbakterien. Tierisches Protein begünstigt das Wachstum gallensäureresistenter Bakterien. Das liegt wahrscheinlich aber eher an den Begleitstoffen, die tierisches Protein mitbringt.

Zumindest bei einer proteinarmen Ernährung werden pflanzliche Proteine im Dünndarm besser aufgenommen als tierische. Das ist für die Darmbakterien dann verloren.

Und nicht zuletzt kommt es auf das ganz spezielle Protein an, das da verzehrt wird. Studien ergeben unfassbar widersprüchliche und nicht konsistente Ergebnisse, je nachdem, welches Protein in den Studien eingesetzt wurde. Die Darmflora von Hühnchen- oder Schweineschnitzelkonsumenten unterscheidet sich deutlich. Je nachdem, ob dasselbe Protein von Athleten oder Adipösen verzehrt wird, vermehren sich verschiedene Bakterien, u.s.w.

Jedes Protein ist eben einzigartig und bringt seine eigenen spezifischen Eigenschaften mit sich.

Wie reagiert das Darm-Mikrobiom auf Proteine?

Studien zeigten, dass Proteinfermentation in erster Linie die Biomasse des Darm-Mikrobioms vermehrt. Was ja kein Wunder ist, wenn Stickstoff im Dickdarm ein wachstumsbegrenzender Faktor ist. Protein bringt Stickstoff in den Darm. Allerdings vermehren sich nicht alle Darmbakterien gleich stark und so kommt es doch zu Verschiebungen der relativen Häufigkeit mancher Arten.

Bacteroides vermehrt sich in einer Proteinsuppe besonders gut und verbraucht überdurchschnittlich viel Stickstoff. Auch Clostridien vermehren sich gut, wenn reichlich Protein vorhanden ist.

Eubacterium, Akkermansia, Mucispirillum, Ruminococcus, Johnsonella, Alistipes, Butyrivibrio und Blautia nehmen dagegen ab. Bei den meisten Gattungen ist das ein bisschen schade.

Quellen:

Diether, Natalie E, and Benjamin P Willing. “Microbial Fermentation of Dietary Protein: An Important Factor in Diet⁻Microbe⁻Host Interaction.” Microorganisms vol. 7,1 19. 13 Jan. 2019, doi:10.3390/microorganisms7010019

Rodríguez-Romero, José de Jesús et al. “What we know about protein gut metabolites: Implications and insights for human health and diseases.” Food chemistry: X vol. 13 100195. 22 Dec. 2021, doi:10.1016/j.fochx.2021.100195

Bartlett, Alexandria, and Manuel Kleiner. “Dietary protein and the intestinal microbiota: An understudied relationship.” iScience vol. 25,11 105313. 9 Oct. 2022, doi:10.1016/j.isci.2022.105313

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