Dezember 21, 2024

Die guten Eubakterien

Eubacterium rectale mag Dahlien

Der Name sagt es schon: Eubakterien sind die Guten, die wir gerne beherbergen. Und das tun wir auch, denn die Gattung Eubacterium gehört zum Kernmikrobiom in unserem Darm.

Die Gattung Eubacterium besteht aus über 40 Arten und kommt häufig in der Mundhöhle und dem Verdauungstrakt von Säugetieren (also auch des Menschen) vor.

Eubakterien sind ein bunter Haufen und sehr variabel. Im Jahr 2020 wurden sie auch neu sortiert und in einige neue Gattungen eingeteilt. Sie sind gram-positiv, verfügen also über eine sehr stabile Zellwand und gehören dem Stamm der Firmicutes an. Das sind die Bakterien, die man für allerlei negatives Geschehen im Darm verantwortlich macht. Aber viele hochwillkommene Darmbewohner sind Firmicutes und manche Experten sehen das Firmicutes:Bacteroidetes Verhältnis als Indikator für die Darmgesundheit tatsächlich kritisch.

Eubakterien sind obligat anaerob, vertragen also keinen Sauerstoff. Sie leben davon, Kohlenhydrate oder Peptone (das sind Bruchstücke von Proteinen, die bei deren Abbau entstehen), zu vergären. Auch bei den Kohlenhydraten müssen sie nehmen, was übrig bleibt, nämlich Ballaststoffe, die der Wirt selbst nicht spalten und verdauen kann. Bei der Gärung entstehen verschiedene organische Säuren, aber vor allem Butyrat, eine vom Wirt sehr begehrte kurzkettige Fettsäure. Eubacterium ist einer der wichtigsten Butyratbildner in unserem Darm-Mikrobiom.

Manche Eubacterium Stämme können die Ballaststoffe nicht selbst abbauen. Sie profitieren dann davon, was andere Bakterien, wie Bifidobakterien oder Bacteroides, abbauen können. Nachbarschaftshilfe unter Bakterien. One man’s trash, another man’s treasure. Cross feeding nennt das der Fachmensch.

Warum ist Butyrat so toll?

Ein Großteil der positiven Auswirkungen auf die Gesundheit verdanken wir Wirte tatsächlich dem Butyrat, das ein Abfallprodukt der Bakterien ist. Die Zellen des Dickdarmepithels ernähren sich hauptsächlich von diesem Butyrat. Und das macht die Darmepithelzellen groß und stark.

Butyrat stärkt auch die Darmbarriere. Die einzelnen Zellen sind über sogenannte Tight Junctions miteinander verbunden. Das sind im Prinzip Stöpsel, die aus verschiedenen Proteinen zusammengesetzt sind und dafür sorgen, dass nichts zwischen den Zellen durchschlüpfen kann und alles die Zellen passieren muss. Damit haben die Zellen die volle Kontrolle darüber, was in den Körper gelangen soll. Schwächelt es hier ist ein Leaky Gut Syndrom die Folge und das kann ganz schön gefährlich werden.

Das Darmlumen gehört nämlich eigentlich zur Körperoberfläche. Ein Säugetier ist im Prinzip ein Rohr, mit einer äußeren Oberfläche der Haut und einer inneren, dem Darm. Dazwischen liegen die Organe, eingebettet in das Material des Rohres.

Butyrat wird in die Zellen aufgenommen und kann die Aktivität der Gene, die für die Bestandteile der Tight Junctions codieren, erhöhen. Mit dem Blut gelangt Butyrat auch in verschiedene Gewebe und beeinflusst den Stoffwechsel von Leber und Fettgewebe positiv.

Außerdem wirkt Butyrat über verschiedene Signalwege auch von außerhalb der Zelle. Kurzkettige Fettsäuren, zu denen Butyrat zählt, wirken über membrangebundene Rezeptoren vor allem auf der Oberfläche von Immunzellen entzündungshemmend, indem sie entzündungsfördernde Zytokine hemmen und entzündungshemmende fördern. Zytokine sind Signalmoleküle, die vor allem in verschiedenen Zellen des Immunsystems gebildet werden.

Eubakterien, Diabetes und Übergewicht

Am Anfang von Diabetes Typ 2 steht oft eine Insulinresistenz, die dadurch verursacht wird, dass einfach ständig Insulin unterwegs ist. Die angesprochenen Gewebe, meines Wissens nach nur Fett und Muskel, reagieren dann einfach nicht mehr, denken nur, „ach, das schon wieder, alles klar“ – und tun nichts.

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass die Anwesenheit von Eubacterium spp. positiv mit der Insulinsensitivität korreliert. Je mehr Eubakterien vorhanden sind, desto besser reagiert der Wirt auf Insulin. Und bei Diabetes Typ 2 Patienten ist die Anzahl von Eubakterien signifikant reduziert. Durch eine Stuhltransplantation von gesunden Spendern lässt sich die Insulinsensitivität wieder herstellen. Vor allem E. hallii fiel den Forschenden in diesem Punkt durch eine besonders starke sensibilisierende Wirkung auf, während bei hohen Populationszahlen von E. rectale im Darm der Blutzuckeranstieg nach einer Mahlzeit besonders niedrig ausfällt (was natürlich auch auf ein verbessertes Insulinsignal zurückzuführen sein kann)

Butyrat wirkt sich auch positiv auf die Funktion der Bauchspeicheldrüse aus. Es kann die β-Zellen neu programmieren, indem es HDACs (Histondeacetylasen, Enzyme die die Struktur der Chromosomen im Zellkern beeinflussen, was wiederum Einfluss auf die Genaktivität hat) hemmt.

Kurzkettige Fettsäuren wie Butyrat oder Propionat sind auch an der Regulation der Nahrungsaufnahme beteiligt. Da wären zum Beispiel die Sättigungshormone Ghrelin (growth hormone releasing factor), GLP-1 (glucagon-like peptide-1) und PYY (Peptid YY). Ghrelin wirkt appetitanregend während GLP-1 und PYY den Appetit dämpfen und die Nahrungsaufnahme normalisieren und dadurch zu einer Gewichtsabnahme führen können. Diese Sättigungshormone werden durch SCFA beeinflusst, und zwar dahingehend, dass sie das appetitanregende Ghrelin hemmen, während sie GLP-1 und PYY anregen. Na, das passt doch.

Trotzdem sind die Erkenntnisse über Eubacterium und Übergewicht noch kontrovers, denn bei Übergewichtigen findet man oft vermehrt Eubakterien und auch insgesamt mehr Butyrat, wobei aber mit dem Stuhl weniger davon ausgeschieden wird als bei Schlanken.

Eubakterien, Darmkrebs und Atherosklerose

Butyrat greift in verschiedene Signalwege ein und dazu gehören auch solche, die mit der Entscheidung über Leben und Tod von Zellen und damit auch mit der Entstehung und Entwicklung von Krebs zu tun haben.

Außerdem ist Butyrat die bevorzugte Energiequelle der Zellen des Dickdarms. Krebszellen dagegen können damit wenig anfangen. Man kann Fette nicht vergären und viele Krebszellen verlieren die Fähigkeit, Energie durch Atmung zu gewinnen. Das nennt man Warburg Effekt und er kann Krebszellen regelrecht aushungern.

In den Krebszellen häuft sich Butyrat deshalb an, wandert in den Zellkern, hemmt dort in bekannter Weise die HDACs, hemmt die Entstehung von Krebs und fährt dagegen Stoffwechselwege hoch, die Krebszellen durch Apoptose, den willentlich herbeigeführten Zelltod, töten.

Im Darm von Darmkrebspatienten gibt es weniger fermentierende Bakterien, Butyratbildner sind reduziert und auch von den Schlüsselenzymen der Butyratsynthese findet man wenig.

Die Anwesenheit von E. ventriosum scheint ein Marker für gute Darmgesundheit zu sein. Es findet sich reichlich im gesunden Darm in Wirten mit geringem Darmkrebsrisiko.

Fehlen Butyrat bildende Bakterien im Darm, steigt auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das zeigen Studien an Mäusen und Menschen. Es gibt mehr entzündungsfördernde Bestandteile, wie LPS (Lipopolysaccharide) oder Peptidoglycan, beides Bestandteil bakterieller Zellwände und ein Indiz dafür, dass die Darmbarriere leckt. Und beide können als sogenannte Endotoxine in den Blutkreislauf gelangen und sind ein Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Vermutlich liegt der Auslöser hierfür im Lebensstil und einer durch schlechte Ernährung und Bewegungsmangel herbeigeführten Dysbiose.

Eubakterien fressen Cholesterin.

Keine Frage, Cholesterin ist wichtig. So wichtig, dass wir es selbstverständlich selbst herstellen können. Aber mit der Nahrung kommt täglich auch ein Gramm Cholesterin im Darm an.

Das Nahrungscholesterin wird von den Darmbakterien zu Coprostanol abgebaut. Hier tun sich vor allem Eubakterien hervor. Es gibt verschiedene Synthesewege für Coprostanol und Eubakterien beherrschen sie alle. Wahre Profis also.

Coprostanol wird im Gegensatz zu Cholesterin im Darm nur schlecht resorbiert und es besteht ein umgekehrter Zusammenhang zwischen Blutcholesterinwerten und Coprostanol im Stuhl. Dieser Effekt ist besonders stark, wenn E. coprostanoligenes im Spiel ist. Der Name sagt es ja schon…

Diese Bakterien siedeln bevorzugt im Leer- und Krummdarm, dem Teil des Dünndarms, in dem Cholesterin absorbiert wird. Studien haben gezeigt, dass ein Mikrobiom, das Cholesterin effektiv zu Coprostanol umsetzt, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen tatsächlich senkt.

Eubacterium, Leber und Galle

Gallensäuren werden in der Leber aus Cholesterin hergestellt und bei Bedarf aus der Gallenblase in den Darm abgegeben. Der Großteil der Gallensäuren wird recycelt und über das Blut zurück in die Leber transportiert. Ein kleiner Anteil von etwa fünf Prozent wird allerdings von den Darmbakterien abgebaut. Sie werden mithilfe des Enzyms Gallensalzhydrolase (bile salt hydrolase, BSH) gespalten und unlöslich gemacht. Das verhindert das Recycling und ist ein nicht unbedeutender Weg für den Körper, überflüssiges Cholesterin loszuwerden. Durch die Aktivität dieses Enzyms kann der Cholesterinspiegel des Wirts deutlich sinken und Eubakterien stellen (zusammen mit Roseburia und Clostridien) einen Großteil der im Darm vorhandenen BSH.

Primäre Gallensäuren, die in der Leber gebildet werden, werden von Bakterien im Darm in sekundäre Gallensäuren umgewandelt. Diese Verbindungen haben eine starke regulatorische Funktion. Sie binden an einen Rezeptor, den Farnesoid Rezeptor X (FXR), was letztendlich dazu führt, dass die Synthese von Gallensäuren in der Leber heruntergefahren wird.

Sekundäre Gallensäuren können in hoher Konzentration aber auch zytotoxisch wirken und die Darmzellen schädigen. Vor allem bei fettreicher Ernährung steigt auch die Produktion sekundärer Gallensäuren durch eine Dysbiose. Im Gleichgewicht dominiert dagegen die Synthese durch Eubacterium und wenige andere Arten.

Sekundäre Gallensäuren können, wenn in der Leber zu Entzündungen führen und im Darm die Entstehung von Krebs begünstigen.

Woher nehmen, wenn nicht stehlen kaufen?

Sieht fast so aus, als sollte man sich bemühen, möglichst viele Eubakterien im Darm zu beherbergen. Kaufen kann man sie nicht. In den gängigen Probiotika sind sie nicht enthalten. Aber man kann sie päppeln.

Sie vermehren sich, wenn man ihnen reichlich Ballaststoffe zukommen lässt. Und bei fettreicher und proteinreicher Ernährung verschwinden sie. Mit der für unsere Breiten typischen „westlichen Ernährung“ mit viel Fett und Fleisch und wenig Ballaststoffen haben es Eubakterien besonders schwer. Aber mediterrane Kost mögen sie, vor allem die vom Vortag, die viel resistente Stärke enthält.

Sie mögen besonders (für uns) unverdauliche Kohlenhydrate – Ballaststoffe eben. Wobei wir beim Stichwort Ballaststoffe sicher oft an Cellulose denken. Aber gerade die kann als unlöslicher Ballaststoff von den Darmbakterien schlecht verwertet werden. Viel günstiger sind lösliche Ballaststoffe, wie Inulin, Pektin, Beta-Glucan, Fructo-Oligosaccharide (FOS), Galacto-Oligosaccharide (GOS)
und resistente Stärke. Vielleicht sollte man sie Präbiotika nennen. Das Inulin aus Dahlien wird übrigens exklusiv von E. rectale verwertet. Damit sollte man diese Art sehr selektiv heranzüchten können.

Außerdem mögen Eubakterien Omega-3-Fettsäuren. Werden die reichlich verzehrt, nehmen Eubakterien und andere Butyratbildner im Darm deutlich zu.

Eubakterien mögen Dahlien
Eubakterien mögen Dahlien / Bild von Manfred Richter auf Pixabay

Quelle:

Mukherjee, Arghya et al. “Gut microbes from the phylogenetically diverse genus Eubacterium and their various contributions to gut health.” Gut microbes vol. 12,1 (2020): 1802866. doi:10.1080/19490976.2020.1802866



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