Oktober 13, 2024

Das orale Mikrobiom: wir haben auch im Mund Bakterien

Das orale Mikrobiom: wir haben auch im Mund Bakterien

Wir haben auch im Mund Bakterien. Aber es ist schon unglaublich: Das orale Mikrobiom in der Mundhöhle ist nach dem Darm-Mikrobiom das zweitgrößte. Und während das Darm-Mikrobiom in aller Munde ist, kräht kein Hahn nach den Bakterien im Mund. Das ist schon erstaunlich, weil natürlich auch hier eine Dysbiose zu gesundheitlichen Problemen führen kann. Karies zum Beispiel oder Parodontitis.

Das orale Mikrobiom ist die komplette Gemeinschaft von Mikroorganismen, die in der Mundhöhle zu Hause sind. Nach dem Darm ist es unser zweitgrößtes Mikrobiom.

Anders als im Darm, leben hier viele aerobe Organismen, die auf Sauerstoff für die Atmung angewiesen sind. Trotzdem gibt es in der Mundhöhle Lebensräume, in denen anaerobe Mikroorganismen gedeihen. Auf der Zunge gibt es welche. Und in den Zahnfleischtaschen, die sich im Verlauf einer Parodontitis entwickeln. Eigentlich sind es erstaunlich viele anaerobe Bakterien.

Bisher hat man rund 700 verschiedene Bakterienarten identifiziert, die zu 185 Gattungen gehören, die zu 12 Stämmen gehören. Das sind viel mehr als im Darm. Außerdem scheinen im oralen Mikrobiom auch Protozoen und Viren eine Rolle zu spielen. Die gibt es auch im Darm, aber weil sie nur einen verschwinden geringen Anteil der Gesamtpopulation ausmachen, werden sie meist vernachlässigt.

Viele Lebensräume für die Bakterien im Mund

Die Mikroorganismen können in der Mundhöhle verschiedene Lebensräume besiedeln. Auf dem Zahnfleisch, Gaumen, Wangen und der Zunge leben unterschiedliche Gemeinschaften. Und dann gibt es natürlcih noch die Zähne, die wieder einen eigenen Lebensraum darstellen, weil sie als einziges eine wirklich stabile Grundlage zur Bildung eines Biofilms abgeben, während die Schleimhäute ständig Zellen an der Oberfläche abstoßen. Anscheinend eine wackelige Angelegenheit.

Die Entwicklung des oralen Mikrobioms

Die Fachleute sind sich einig, dass die Mundhöhle zum Zeitpunkt der Geburt steril ist, obwohl die Neugeborenen mit der Mikroflora von Uterus und Vagina und später mit den Mikroorganismen der Umgebung in Kontakt kommen. Aber die Mundhöhle wird erst kurz nach der Geburt von sogenannten Pionierarten besiedelt, meinen sie.

Mit der ersten Fütterung beginnt ein Prozess, bei dem ständig Mikroorganismen in die Mundhöhle gelangen und dort eine residente Gemeinschaft bilden. Zu den Erstsiedlern gehören Bakterien wie Streptococcus salivarius. Sie sind Milchsäurebakterien und gehören zur normalen, gesunden Mundflora.

Im ersten Jahr ist die Mundhöhle vor allem von Aeroben besiedelt, aber auch Lactobacillus, Actinomyces ( anaerobe Pathogene oder Kommensale von warmblütigen Wirbeltieren), Neisseria (eher unangenehme Zeitgenossen. Manche Arten leben auf den Schleimhäuten der oberen Atemwege und haben möglicherweise krankeheitserregendes Potenzial) und Veillonella (vom Stamm der Firmicutes, gehören zur normalen Mundflora, man findet sie in Zahnbelag)

Sobald die ersten Zähne durchbrechen haben diese Bakterien die Gelegenheit, darauf zu siedeln. Rund um den Zahn entstehen verschiedene mikrobielle Siedlungen. Die Bakterien verschiedener Arten heften sich nicht nur an den Untergrund, sondern auch gegenseitig aneinander. Wie genau die Gesellschaft sich entwickelt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wenn sich die Mikroumgebung ungünstig entwickelt, wird hier der Grundstein für eine spätere Dysbiose und, als Folge davon, Krankheit gelegt.

Die Zusammensetzung des oralen Mikrobioms

In der Mundhöhle gibt es viele verschiedene Lebensräume, die von Mikroorganismen besiedelt werden. Ein gesundes orales Mikrobiom beherbergt viele verschiedene Bakterienarten. Die typischsten hat jemand hier als

Gram-negative

Kokken (kugelförmige Bakterien):

Moraxella, Neisseria, Veillonella

und

Stäbchen:

Campylobacter, Capnocytophaga, Desulfobacter, Desulfovibrio, Eikenella, Fusobacterium, Haemophilus, Leptotrichia, Prevotella, Selemonas, Simonsiella, Treponema, Wolinella.

sowie Gram-positive

Kokken:

Abiotrophia, Peptostreptococcus, Streptococcus, Stomatococcus

und

Stäbchen:

Actinomyces, Bifidobacterium, Corynebacterium, Eubacterium, Lactobacillus, Propionibacterium, Pseudoramibacter, Rothia

zusammengefasst. Im Idealfall leben im Mund Bakterien, die uns guttun. Manche Gattungen kennt man auch aus dem Darm wie Eubacterium, Bifidobakterien, Rothia oder Prevotella. Es dürfte ich hier aber um verschieden Arten derselben Gattung handeln. Die Autoren sind hier nicht näher darauf eingegangen, um wen es sich hier genau handelt.

Die Bezeichnung gram-positiv und gram-negativ bezieht sich übrigens auf die Struktur der Zellwand. Die ist bei gram-positiven Bakterien dicker und stabiler, aber einschichtig. Gram-negative Bakterien besitzen eine doppelte Hülle mit einem freien Raum zwischen den beiden Schichten. Hat auch seine Vorteile.

Manche Bewohner der Mundhöhle sind keine Bakterien, sondern gehören zu den Eukaryonten. Das sind alle Organismen mit einem echten Zellkern. Protozoen sind dabei, kleine einzellige tierische Parasiten: Entamoeba gingivalis und Trichomonas tenax. Die beiden treiben sich gerne in den Zahnfleischtaschen herum, die bei Parodontitis entstehen.

Dann gibt es noch Hefepilze. Die Gattung Candida ist die häufigste, außerdem zählen Cladosporium, Aureobasidium, Saccharomycetales, Aspergillus, Fusarium and Cryptococcus zu den häufigsten Gattungen. Insgesamt hat man 85 Gattungen gefunden.

Dysbiose im oralen Mikrobiom

Unter günstigen Bedingungen befindet sich das Mikrobiom in der Mundhöhle in einem Gleichgewicht und ähnlich wie im Darm schützt es den Wirt vor negativen Einflüssen durch unerwünschte Siedler.

Verschiedene Faktoren begünstigen aber das Wachstum von Pathogenen.

ZU den Faktoren, die eine Dysbiose begünstigen können, zählen Ernährungsweise und Lebensstil, Alkoholkonsum oder Rauchen, mangelhafte Mundhygiene, Zahnfleischentzündungen oder die Zusammensetzung des Speichels.

Eine Dysbiose im Mund kann zu verschiedenen Krankheiten, wie Karies oder Parodontitis, aber auch oralem Krebs oder systemischen Krankheiten in anderen Teilen des Körpers führen.

Karies

Karies oder Zahnfäule entsteht, wenn säurebildende Bakterien sich in einem Biofilm auf den Zähnen niederlassen. Sie sitzen in einer Matrix aus extrazellulären Polymeren und verschiedene Säuren, Endprodukte ihres Kohlenhydrat-Stoffwechsels, senken den pH im Mund so weit, unter 5,5, dass sich Mineralstoffe aus dem Zahnschmelz lösen. Streptococcus mutans ist der Leitorganismus der Zahnkaries.

Parodontitis

Parodontitis ist eine entzündliche Erkrankung des Zahnhalteapparates. Das Immunsystem des Wirts ist dabei gestört und natürlich sind auch Bakterien daran beteiligt. Porphyromonas gengivalis und Streptococcus mutans und Aggregatibacter actinomycetemcomitans (was für’n Name!!!) sind Risikofaktoren für die Entwicklung einer Parodontitis.

Manche Bakterien, die an paradentalen Krankheiten beteiligt sind, haben kanzerogene Eigenschaften und Parodontitis Patienten haben ein 2 – 5 fach erhöhtes Risiko, an verschiedenen Krebsarten zu erkranken. Porphyromonas gingivalis, der Markerkeim für schwere Formen der Parodontitis, hat diese Eigenschaften.

Das orale Mikrobiom kann man pflegen

Die Ernährung ist ein wirksames Mittel, Einfluss auf das orale Mikrobiom zu nehmen. Zucker und andere Kohlenhydrate mit hohem glykämischen Index, schlechte Fette in gesättigte, trans- und omega-6- ungesättigter Ausführung, ein Mangel an Mikronährstoffen und Ballaststoffen fördert das Kippen der gesunden Symbiose. Kohlenhydrate mit niedrigem glykämischen Index, Omega-3-Fette (und die Autoren erwähnen explizit nichtpflanzliche Fette), die Vitamine C und D sowie Ballaststoffe stärken dagegen das Mikrobiom und verbessern die Zahngesundheit.

Quellen:

Chowdhry, Aman et al. “Exploring the oral microbiome: an updated multidisciplinary oral healthcare perspective.” Discoveries (Craiova, Romania) vol. 11,2 e165. 30 Jun. 2023, doi:10.15190/d.2023.4

Deo, Priya Nimish, and Revati Deshmukh. “Oral microbiome: Unveiling the fundamentals.” Journal of oral and maxillofacial pathology : JOMFP vol. 23,1 (2019): 122-128. doi:10.4103/jomfp.JOMFP_304_18

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