Depressionen gehören weltweit zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Drei von zwanzig Erwachsenen entwickeln mindestens einmal im Leben eine Depression. Die Krankheit wird unter anderem medikamentös mit Antidepressiva behandelt, aber bei 30 – 40 % der Patienten spricht die Therapie nicht an.
Da könnte man ja glatt wieder die Darmbakterien verdächtigen, und tatsächlich scheinen sie ihren Teil zum Ausbruch der Krankheit wie auch zum Misserfolg der Therapie beizutragen. Wer das genau das ist und welche Metabolite und Stoffwechselwege den Erfolg der Therapie beeinflussen, ist aber noch lange nicht klar, nicht zuletzt, weil die Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen – wie so oft in der Mikrobiomforschung. Hier ist weitere Forschung nötig und Forschende aus China haben einen Versuch unternommen, hier ein wenig Abhilfe zu schaffen.
Sie untersuchten, welche Auswirkung selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer, (SSRI, eine Klasse der Antidepressiva), auf die Gesellschaft der Darmbakterien haben. Es war nur eine kleine Studie, mit 63 depressiven Patienten und 30 gesunden Kontrollpersonen. Bei der Auswahl der Studienteilnehmer achteten die Forschenden darauf, eine möglichst homogene Gruppe mit gleichen biologischen Parametern, wie Alter, BMI, Vorerkrankungen, usw., zusammenzustellen. Das sind nämlich vermutlich die Stellschrauben, die die Ergebnisse ähnlicher Studien so stark voneinander abweichen lassen.
Dysbiose im Darm der Patienten
Die Analyse von Stuhlproben zu Beginn des Experiments zeigte, dass sich die Mikrobiome der Patienten und Kontrollpersonen deutlich unterschieden. Bei den depressiven Patienten fanden sich deutlich mehr Actinobacteria, aus der Familie der Bifidobacteriaceae, auch die namensgebende Gattung Bifidobacterium, sowie Blautia und Agathobacter aus der Familie Lachnospiraceae, die zu den Firmicutes gehören. Lactobacillaceae, also Milchsäurebakterien, gab es dagegen weniger.
Dann fanden sie noch mehr Unterschiede. Schon zu Beginn des Experiments gab es Unterschiede in den Mikrobiomen von Patienten, die später auf die Behandlung ansprachen (Responder) und denen, bei denen die Medikation keinen Erfolg zeigte (Non-Responder).
Unterschiede im Mikrobiom von Respondern und Non-Respondern
Bei den Respondern gab es weniger Christensenellaceae und Eggerthellaceae, darunter die Gattung Adlercreutzia und eine besondere Gruppe von Christensenella.
Diese Dysbiose spiegelte sich auch in den Ergebnissen eines Tests zur Quantifizierung der Schwere der Erkrankung wider. Vor allem Actinobacteria, Christensenellaceae und Eggerthellaceae korrelierten negativ mit den Testergebnissen. Diese Unterschiede schon zu Beginn des Experiments könnten nun bedeuten, dass ein Mangel an diesen Bakterien zur Entstehung der Krankheit beiträgt. Aber andererseits können sie anscheinend Einfluss auf den Verlauf der Therapie nehmen, denn wenn sie fehlen, bleibt die Wirkung aus.
Unterschiedliche Metabolite im Darm
Die Forschenden untersuchten auch, welche bakteriellen Stoffwechselprodukte sie im Darm ihrer depressiven Studienteilnehmer fanden. Und sie fanden 20 Metabolite, die sich in den beiden Gruppen „Responder“ und „Non – Responder“ unterschieden. Ihre Funktion betraf vor allem den Fettstoffwechsel.
In einem Co-Occurrence Network untersuchten sie das gleichzeitige Auftreten von Bakterien und Metaboliten, um eventuell herauszufinden, was aus wessen Küche stammt. Aber es konnten keine Metabolite eindeutig einer Bakterienart zugeordnet werden. Viele Köche am Herd, sozusagen. Also gab es nur eine grobe Einschätzung ohne Aussagekraft.
Und das End‘ von der Geschicht‘ ?
Die Stuhlanalyse zum Ende des Experiments ergab, dass bei den Respondern einige Bakterienarten abgenommen, andere zugenommen hatten. Kann sein, dass die etwas mit dem Verlauf der Therapie zu tun hatten.
Aber auch bei den Non – Respondern hatte sich die Zusammensetzung der Darmbakterien verschoben. Eggerthella und Turicibacter hatten abgenommen, Butyricoccus dagegen zugenommen. Da die Therapie in dieser Gruppe aber keinen Erfolg hatte, haben die Bakterien wohl nichts beigetragen. Ihre Populationsdynamik beruht wohl auf anderen Ursachen. Manche Antidepressiva haben antimikrobielle Aktivität. Und wenn dann manche Bakterien ausgedünnt werden, könnte das das Wachstum anderer fördern.
Deswegen ist Mikrobiomforschung so kompliziert.
Was man aber aus dieser Studie lernen kann, ist abzuschätzen, ob eine Therapie mit Antidepressiva Chancen auf Erfolg hat.
Quelle:
Dong Z, Shen X, Hao Y, Li J, Xu H, Yin L, Kuang W. Gut microbiome: A potential indicator for predicting treatment outcomes in major depressive disorder. Front Neurosci. 2022 Jul 22;16:813075. doi: 10.3389/fnins.2022.813075. PMID: 35937875; PMCID: PMC9354493.