Mai 2, 2024

Hafnia macht aber schlank

Hafnia macht schlank

Im Dschungel unserer Darmbakterien tummelt sich auch Hafnia. Es ist nur eine einzige Art, Hafnia alvei, näher beschrieben und man ist sich noch nicht ganz sicher, ob man sich über die freuen soll oder nicht.

Einerseits tritt Hafnia immer wieder als pathogen auf, wie manche Forschende feststellen, aber die Bakterien produzieren auch sogenannte Bacteriocine, die andere Mikroorganismen schaden und andere Forschende sehen das als großen Vorteil und meinen, sie sei normalerweise nicht pathogen. Auch bei der Käsereifung kann sich Hafnia nützlich machen. Und am Ende hat ein besonderer Stamm von Hafnia alvei, HA4597, sogar das Zeug zum Probiotikum gegen Übergewicht.

Wer sind diese Bakterien?

Bakterien der Gattung Hafnia sind eigentlich Kosmopoliten, die in verschiedenen Lebensräumen vorkommen. Sie gehören zur großen Gruppe der Enterobacteriales, die wiederum eine kleine Fraktion unserer Darmbakterien stellen. Früher ordnete man sie der Familie Enterobacteriaceae zu, zu der auch E. coli oder Salmonellen gehören. Heute stellen sie eine eigene Familie, die Hafniaceae dar.

Hafnia verträgt bis zu 5 % Kochsalz, einen pH von knapp 5 (leicht sauer) bis über 8 (leicht basisch). Sie wächst bei Temperaturen von 4 – 44 °C, kann sich also auch im Kühlschrank vermehren. Am liebsten mag sie aber kuschelige 35 °C, schließlich ist sie ein Darmbewohner von Säugetieren.

Hafnia kommt neben anderen Bakterien in Pulque, einem südamerikanischen Getränk aus vergorenen Agaven vor, in Lebensmitteln, auch vakuumverpacktem Fleisch und Käse.

Was Hafnia sonst so drauf hat

Ihre Rolle in der Käsereifung beruht darauf, dass Hafnia viele biogene Amine herstellen kann. Das sind meist Abbauprodukte von Aminosäuren, den Bauteilen von Proteinen. Um ein biogenes Amin daraus zu machen, muss man einfach nur die Säuregruppe bzw. ein CO2 abspalten. Außerdem synthetisiert Hafnia verschiedene flüchtige, oft schwefelhaltige Verbindungen. Viele dieser Verbindungen sind sehr aromatisch. Nicht im chemischen Sinn, sondern eben geschmacksintensiv. Das macht sich im Käse gut.

Wie schon erwähnt ist mit Hafnia unter Umständen nicht gut Kirschen essen. Die Bakterien produzieren antagonistische Stoffe, die anderen Mikroben das Leben schwer machen – oder gar beenden.

Zum Beispiel Bacteriocine. Das sind Poren bildende Moleküle, mit denen eine Zelle der anderen die Zellwand durchstoßen kann. Sie werden quasi erdolcht. Das können aber viele Bakterien. Man stelle sich den Kleinkrieg im Darm vor…

Durch ihre antimikrobielle Aktivität kann Hafnia das Wachstum anderer Bakterien hemmen. Zum Beispiel das von Yersinia enterocoelitica, einem Pathogenen, das nah mit dem Erreger der Pest verwandt ist. Wie genau Hafnia die Yersinien um die Ecke bringt, ist allerdings noch nicht geklärt.

Manchmal zieht Hafnia auch den Kürzeren und wird von ihren Widersachern verdrängt. Proteus vulgaris, ein anderes Enterobacterium, ist in der Lage Hafnia aus dem Käseparadies zu verdrängen, Lactobacillus verscheucht sie aus der Fermentation von Oliven. Sie werden natürlich nicht verscheucht. Die anderen vermehren sich einfach nur schneller.

Wie so viele nützliche Darmbakterien greift Hafnia in das Immunsystem des Wirts ein. Sie hemmt die Produktion entzündungsfördernder und fördert die Produktion entzündungshemmender Cytokine.

Hafnia als Probiotikum

Ein bestimmter Stamm von Hafnia alvei, HA4597, entwickelt einige positive Effekte auf Übergewicht und die damit verbundenen metabolischen Störungen. Es hat sich gezeigt, dass dieser Stamm, als Probiotikum verabreicht, die Nahrungsaufnahme sowie die Zunahme von Gewicht und Körperfett reduziert.

Außerdem sanken der Blutzucker, die Triglyceride im Blut und der Gehalt an Aminotransferasen. Das deutet auf eine Verbesserung der Leberfunktion hin, denn Aminotransferasen sind Enzyme, die nur innerhalb der Zelle vorkommen und nur nach deren Tod freigesetzt werden. Erhöhte Spiegel im Blut weisen daher auf gesteigerte Gewebeverluste in der Leber hin.

Wie macht Hafnia schlank?

ES gibt ja viele Probiotika zur Gewichtsreduktion. Meist versteht man nicht, was genau da passiert, auf welchen Mechanismen der Effekt beruht. Bei Hafnia ist das anders. Der probiotische Stamm produziert besonders viel von einem Protein namens ClpB.

ClpB ist der Doppelgänger eines kleinen Peptids, dem Hormon α-MSH. Das steht für Melanozyten stimulierendes Hormon. Es bindet an seine Rezeptoren und überträgt damit bestimmte Signale. Das hat die Freisetzung von GLP-1 (Glucagon-like peptide-1) und PYY (Peptid YY) im Darm zur Folge.

GLP-1 verzögert die Magenentleerung und wirkt daher wirkt sättigend. PYY reduziert das Hungergefühl. Bei fettleibigen Meschen ist der Spiegel an PYY stark erniedrigt. α-MSH steigert außerdem den Energieverbrauch und aktiviert dadurch die Fettverbrennung im peripheren Gewebe.

Die Aktivität oder Gehalt von ClpB im Darm und dem BMI und der Körperfettmasse des Wirts besteht eine negative Korrelation. Je mehr ClpB vorhanden, desto geringer BMI und Körperfettanteil.

Hafnia ist nicht das einzige Bakterium, das ClpB produziert. Aber bei fettleibigen Menschen kommen besonders wenige dieser ClpB produzierenden (und Hormon imitierenden) Bakterien im Darm vor. Ein hoher Gehalt an ClpB könnte daher mit einer

Hafnia alvei HA4597 kaufen

Es gibt gute Nachrichten: Der Stamm Hafnia alvei HA4597 ist mittlerweile käuflich zu erwerben. Das französisch Biotech Unternehmen TargEDys® hat die Bakterien als Probiotikum auf den Markt gebracht. Das Präparat nennt sich EnteroSatys und ist sogar bei Amazon zu haben.


Quellen:

Ramos-Vivas, José et al. “The Molecular Weaponry Produced by the Bacterium Hafnia alvei in Foods.” Molecules (Basel, Switzerland) vol. 27,17 5585. 30 Aug. 2022, doi:10.3390/molecules27175585

Vallianou, Natalia G et al. “The Role of Next-Generation Probiotics in Obesity and Obesity-Associated Disorders: Current Knowledge and Future Perspectives.” International journal of molecular sciences vol. 24,7 6755. 4 Apr. 2023, doi:10.3390/ijms24076755

Tennoune, N et al. “Bacterial ClpB heat-shock protein, an antigen-mimetic of the anorexigenic peptide α-MSH, at the origin of eating disorders.” Translational psychiatry vol. 4,10 e458. 7 Oct. 2014, doi:10.1038/tp.2014.98





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