Unser Darm-Mikrobiom sorgt nicht nur in den Eingeweiden für Krank- oder Gesundheit. Das ist eigentlich nichts Neues mehr. Aber manchmal überrascht es doch, wo genau die Darmbakterien noch mitzumischen scheinen. Neben der Darm-Mikrobiom-Hirn-Achse kommt nun auch eine Darm-Mikrobiom-Augen-Achse zum Vorschein.
Die Darm-Mikrobiom-Augen-Achse ist ein sich rasch entwickelndes Forschungsgebiet und immer mehr mögliche Verbindungen zwischen einer Dysbiose der Darmbakterien und verschiedenen Augenerkrankungen treten zutage.
Das Mikrobiom der Augen
Dabei besitzen die Augen ihr eigenes, für sie typisches Mikrobiom. Die Mikrobiota der Augenoberfläche (ocular surface microbiota, OSM) besteht hauptsächlich aus Bakterien der Stämme Firmicutes, Actinobacteria und Proteobacteria. Verbreitete Gattungen sind:
- Staphylococcus, vom Stamm der Firmicutes, ein typischer Siedler auf Häuten und Schleimhäuten.
- Corynebacterium, ein Actinobacterium,
- Propionibacterium, auch ein Actinobacterium,
- Pseudomonas, ein Proteobakterium
- Streptococcus, ein Firmicut, gehört zu den Milchsäurebakterien
Außerdem gibt es noch eine nennenswerte Pilz-Community. Malassezia ist die häufigsten vorkommende Gattung.
Das OSM trägt, wie sein Kollege im Darm, dazu bei, die Oberflächenbarriere zu stabilisieren. Es produziert, Bacteriocine, die unerwünschte Opportunisten und Pathogene abtötet. Das OSM tötet nicht nur selbst, es regt auch die Sekretion antimikrobieller Substanzen durch den Wirt an. Es sorgt dafür, dass im Tränenfilm genügend schützende Schleimstoffe gebildet werden. So beugt es Trockenheit und Entzündungen vor.
Die Zusammensetzung des OSM scheint auf verzwickte Weise mit dem Darm-Mikrobiom verwoben zu sein. Auch beim OSM kann eine Dysbiose zu Problemen führen, nicht nur im Auge. Aber Veränderungen im Darm-Mikrobiom tragen wohl ebenso zur Entstehung verschiedener Augenkrankheiten bei.
Man vermutet, dass durch eine Dysbiose im Darm, die ja gerne die Darmbarriere schwächt, bakterielle Giftstoffe, vor allem LPS, in den Kreislauf gelangen. Das aktiviert Rezeptoren, auf der Oberfläche von Immunzellen, was schließlich zur Freisetzung von entzündungsfördernden Zytokinen führt.
Solche „stillen Entzündungen“ können auch das Mikrobiom der Augenoberfläche durcheinanderbringen. Das kann Augenkrankheiten auslösen oder vorantreiben.
Eine Eubiose im Darm trägt zur Gesundheit der Augen bei, indem sie für Homöostase im Immunsystem sorgt und mit kurzkettigen Fettsäuren die Darmbarriere stärkt. Das kann sich auch positiv auf die Blut-Retina-Schranke auswirken.
Die Darm-Mikrobiom-Augen-Achse bei Augenerkrankungen
Bei verschiedenen Erkrankungen der Augen beobachtet man auch eine auffällige Dysbiose im Darm.
Uveitis
Uveitis ist eine entzündliche Erkrankung der mittleren Augenhaut (Regenbogenhaut, Strahlenkörper und Aderhaut). Sie kann zur Erblindung führen. Es scheint eine starke Verbindung zum Darm-Mikrobiom zu bestehen. Man beobachtet immer wieder ein ganz bestimmtes Muster. Von den „guten“ Bakterien gibt es zu wenige: Lachnospira, Faecalibacterium prausnitzii, Ruminococcus, Bacteroides, and Bifidobacterium adolescentis. Das ermöglicht eine übermäßig starke Entzündungsreaktion. Wahrscheinlich ist das tatsächlich keine bloße Korrelation und die Entzündung wird durch einen Mangel entzündungshemmenden bakteriellen Stoffwechselprodukten unterstützt. Ein Mangel an sekundären Gallensäuren sollen daran beteiligt sein. Behebt man den Mangel, verbessern sich die Symptome. Erstaunlich, denn die werden in allgemeinen nicht als gesundheitsfördernd angesehen.
Altersabhängige Makuladegeneration (AMD)
Die Altersabhängige Makuladegeneration ist eine fortschreitende Degeneration den zentralen Teil der Netzhaut, der Makula, die für das Scharfsehen verantwortlich ist. Hohe Blutzuckerwerte sind ein Risikofaktor für diese Erkrankung. Das legt nahe, dass die Ernährung hier eine Rolle spielen könnte. Eine hochglykämische Ernährungsweise mit vielen den Blutzuckerspiegel stark belastenden Lebensmitteln, fördert auch die Vermehrung von entzündungsfördernden Bakterien im Darm. Die Entzündung schwächt die Blut-Retina-Schranke und kann damit Schädigungen der Netzhaut vorantreiben.
Welche Bakterien aus dem Darm-Mikrobiom darin involviert sind, ist noch nicht klar. Oft ist das Firmicutes/ Bacteroides Verhältnis recht niedrig. Eventuell geht es hier aber nicht um bestimmte Bakterienarten, sondern vielmehr und ihre Stoffwechselleistungen. Die können von verschiedenen Arten erbracht werden und man kann nicht immer erkennen, worum es genau geht. Der Abbau von Glutamat und die Verlängerung von Fettsäuren könnten hier eine Rolle spielen.
Diabetische Retinopathie
Diabetische Retinopathie ist eine Mikroangiopathie der Blutgefäße der Netzhaut. Sie tritt als Komplikation bei Diabetes auf. Und auch hier beobachtet man Veränderungen im Darm-Mikrobiom der Patienten. Es gibt viel Faecalibacterium, Lachnospira, Alistipes und Roseburia. Mit Ausnahme von Alistipes eigentlich alles gern gesehene Darmbewohner. Dafür mangelt es an Blautia, Akkermansia und Anaerostipes – auch alles „Gute“. Außer den Bakterien unterscheidet sich auch der Gehalt an bakteriellen Stoffwechselprodukten, Nikotinsäure und Carnosin, im Stuhl. Sie sind wichtig für die Funktion der Mitochondrien, Regulation von Entzündungsreaktionen und antioxidativ.
Syndroms des trockenen Auges
Ein trockenes Auge oder auch Keratoconjunctivitis sicca ist durch Trockenheit der Augen gekennzeichnet, die zu Rötungen, Entzündungen und einem Fremdkörpergefühl führen. Diese Krankheit hat viele Ursachen, die alle mit einer Störung des Tränenfilms einhergehen. Im Darm fehlen oft gute Bakterien, wie Faecalibacterium und Bacteroides, stattdessen findet man viele potenziell schädliche Bakterien, wie Streptococcus und Escherichia/Shigella. Eine Zunahme von Prevotella steht mit einer redutiergten Tränensekretion in Verbindung und kann dadurch die Symptome verstärken.
Glaukom
Ein Glaukom oder grüner Star führt zu einer Schädigung des Sehnervs. Ein Risikofaktor ist ein erhöhter Augeninnendruck. Durch den hohen Druck infiltrieren bestimmte T Helferzellen, die im Darm darauf trainiert wurden, bakterielle Hitzeschockproteine zu erkennen, die Netzhaut. Hitzeschockproteine dienen dem Schutz, nicht nur vor Hitze. Im Auge reagieren sie irrtümlich mit Hitzeschockproteinen des Wirts und lösen damit eine Autoimmunreaktion aus. Man findet im Darm vermehrt Prevotellaceae und Enterobakterien, wie E. coli. An Megamonas, Blautia und Fusicatenibacter mangelt es dagegen. Interessanterweise entwickeln keimfreie Mäuse auch bei erhöhtem Augeninnendruck kein Glaukom. Bei Ratten kann Butyrat, eine kurzkettige Fettsäure, die von den „guten“ Darmbakterien gebildet wird, den Augeninnendruck senken. Und im Kammerwasser von Glaukompatienten hat man schon erhöhte Konzentrationen an TMA, einem potenziell schädlichem bakteriellen Metabolit, gefunden.
Ein Grund mehr, auf ein gesundes Darm-Mikrobiom zu achten.
Quelle:
Tîrziu AT, Susan M, Susan R, Sonia T, Harich OO, Tudora A, Varga NI, Tiberiu-Liviu D, Avram CR, Boru C, Munteanu M, Horhat FG. From Gut to Eye: Exploring the Role of Microbiome Imbalance in Ocular Diseases. J Clin Med. 2024 Sep 21;13(18):5611. doi: 10.3390/jcm13185611. PMID: 39337098; PMCID: PMC11432523.
Bild von Bruno Henrique auf Pixabay